Schewardnadses Gegenspieler

Fürst Aslan Abaschidse bereitet sich vorsichtig darauf vor, dem georgischen Präsidenten nachzufolgen

Der Nihilismus sei der übelste Feind, der den Kaukasus je bedroht habe, meint Aslan Abaschidse, Regent der autonomen Republik Adscharien im Südwesten Georgiens an der Grenze zur Türkei. Mit Hilfe seiner Musen, der Flügeladjutantinnen Tanz und Oper, bemüht sich der Potentat aus Batumi, dem Sinn- und Sittenverfall an der Südflanke Transkaukasiens Einhalt zu gebieten.

Kein Besucher kommt daher drum herum, einige Stunden den betörenden Stimmen der kleinen Stars in Batumis Kinderoper zu lauschen. Ein Geschenk des Patriarchen, das zwar ein wenig an skrupellose Talentzucht in Sowjetzeiten erinnert, vom Volk, das ihn im Herbst mit überwältigender Zustimmung wiederwählte, aber geschätzt wird.

Abaschidse ist Ästhet und Gourmet, der sich auf das Savoir-vivre versteht. Kandierte Früchte, feinste Pralinees und erlesener Wein aus eigener Kellerei dürfen nie fehlen. Eine Mischung, auf die der 63-Jährige großen Wert legt. Während Tiflis am Rande des Chaos tänzelt und sich kaum von der Stelle bewegt, erwirtschaftet die kleine Republik nach eigener Statistik 37 Prozent des georgischen Staatshaushaltes, obwohl sie nur ein Zehntel der Bevölkerung stellt.

Clanstreitigkeiten – wie in Tiflis – löste Abaschidse bei sich zu Hause schnell – im Einklang mit kaukasischer Sitte zugunsten der eigenen Sippe. Der Clan langte zwar kräftig zu, der Chef achtete aber darauf, dass auch noch einiges verteilt werden konnte. Das erhöhte sein Ansehen.

Adscharien ist längst ein Teil Europas und Abaschidse ein überzeugter Europäer. Aus eigenen Mitteln ließ er eine Sammlung Europäischer Menschenrechtsgesetzgebung ins Georgische übertragen, die als Gastgeschenk aber seltener nach Tiflis denn nach Europa gelangte.

Die Beziehungen Batumis zum Zentrum waren lange sehr gespannt. Nach einem Attentat 1991 fuhr Abaschidse nicht mehr in die Hauptstadt. Präsident Eduard Schewardnadse sah in ihm seinen gefährlichsten Widersacher. Nach dem Schisma der Regierungs- und Schewardnadse-Partei „Bürgerunion“ avancierte Abaschidses „Wiedergeburt“ indes zur stärksten Fraktion im georgischen Parlament. Eine Familienpartei mit über sechzig Abgeordneten, die der weit verzweigte Clan, der sich rühmt, die Geschicke Adschariens seit 1463 zu lenken, mühelos mit Verwandten ersten und x-ten Grades füllt. Eine Kontinuität, die der junge Schewardnadse-Clan als Herausforderung begreifen muss.

Nach einer Regierungskrise und Rücktrittsforderungen im Herbst ging Schewardnadse in die Offensive. Der Versuch, den Opernmäzen als Premier zu gewinnen, schlug allerdings fehl. Der ehemalige sowjetische Außenminister fuhr sogar nach Batumi, da der Provinzchef sich weiterhin weigerte, in die Hauptstadt zu reisen.

Zu mehr als der Rolle eines Sonderbeauftragten für die abtrünnige Republik Abchasien ließ sich der adscharische Fuchs nicht überreden. Batumi erhielt als einzige Region Georgiens nach dem Sezessionskrieg 1992 den Kontakt zu abchasischen Politikern aufrecht. Gastfreundschaft steht bei Abaschidse eben ganz obenan. Davon schwärmt auch die in Adscharien noch stationierte russische Brigade, die Tiflis so schnell wie möglich nach Hause schicken möchte.

KLAUS-HELGE DONATH