Naziskins werden immer jünger

Niedersachsen erwägt, das Verfassungsschutzgesetz zu ändern – um unter 16-jährige Rechtsextremisten beobachten zu können. Verbotsverfahren macht NPD attraktiv

HANNOVER taz ■ Das NPD-Verbotsverfahren hat unter rechtsextremen Naziskins und organisierten Neonazis bislang keine abschreckende Wirkung entfaltet. Wie dem gestern in Hannover vorgestellten niedersächsischen Verfassungsschutzbericht zu entnehmen ist, erhöhte sich die Zahl der organisierten Neonazis im vergangenen Jahr bundesweit von 2.200 auf 2.800.

Damit erhöhten die rund 150 Kameradschaften und ähnlichen Nazigruppierungen ihre Mitgliederzahl um ein gutes Viertel. Die Verfassungsschutzämter zählten außerdem bundesweit 10.400 gewaltbereite subkulturell geprägte Rechtsextremisten, also vor allem Naziskins. Auch dies sind 700 mehr als im Vorjahr.

Die Mitgliederzahl der NPD lag 2001 wie schon 2000 bei 6.500. Trotz oder vielleicht auch wegen des Verbotsverfahrens hat die NPD damit als einzige rechtsextreme Partei ihre Anhängerschar halten können. Die bundesweite Mitgliederzahl der DVU sank von 17.000 auf 15.000, die der „Republikaner“ von 13.000 auf 11.500. Auch die NPD selbst ging bei ihrem Parteitag in Königslutter von 6.500 Mitgliedern aus. Nach Angaben eines Parteisprechers gab es nach dem Verbotsantrag zwar eine Reihe von Austritten, aber auch ebenso viele Neueintritte.

Der niedersächsische Verfassungsschutzbericht enthält die bundesweiten Angaben zwar nur als Vergleichszahlen. Nach Angaben von Landesinnenminister Heiner Bartling (SPD) handelt es sich dabei aber um die offiziellen zwischen Bund und allen Ländern abgestimmten Angaben. Sie werden sich auch im Verfassungsschutzbericht des Bundes finden.

Innenminister Bartling zeigte sich gestern vor allem besorgt über das Wachstum der rechtsextremen Musikszene in Niedersachsen. Auch hier zeigte die Repression bislang keine Wirkung. „Aufgrund der gemeinsamen Anstrengungen von Polizei und Verfassungsschutz ist die Anzahl der Skinheadkonzerte in Niedersachsen rückläufig und im bundesweiten Vergleich sehr klein“, sagte der SPD-Politiker. Dennoch gebe es „enorme Ausweitung der Musikszene“. Vor allem für Jugendliche sei die Musik mit rechtsextremen Inhalten die Einstiegsdroge für die Szene.

Nach Angaben des niedersächsischen Verfassungsschutzchefs Volker Homuth werden die rechtsextremen Naziskins außerdem immer jünger. Weil es mittlerweile oftmals schon um 14-Jährige gehe, kündigte Homuth eine Verschärfung des niedersächsischen Verfassungsschutzgesetzes an. Bei einer ohnehin geplanten Änderung des Gesetzes solle das Alter, ab dem der Verfassungsschutz Jugendliche erfassen darf, von jetzt 16 auf 14 Jahre abgesenkt werden.

JÜRGEN VOGES