Kranker Wahlkampf

Ver.di will mit Gesundheit in den Wahlkampf ziehen. Warnung vor Zerschlagung des Kassenkatalogs

BERLIN taz ■ Nein, „Kuschelkurs würde ich das nicht nennen“, aber so richtig viel Abstand mochte Ver.di-Chef Frank Bsirske auch nicht zwischen sich und die rot-grüne Bundesregierung in Sachen Gesundheitspolitik bringen. Die Riesengewerkschaft Ver.di hat Gesundheit zu einem ihrer großen Themen im Wahljahr erkoren, gestern stellte Bsirske die Kampagne dazu vor.

Mit Postern und dem ganzen gewerkschaftsüblichen Lobby- und Aktionsprogramm wollen die Dienstleister vor allem eines verhindern: dass die Union oder der neoliberale SPD-Flügel den Leistungskatalog der Krankenkassen in Grund- und Wahlleistungen zerschlagen.

Denn CDU und CSU sind sich zwar immer noch nicht schlüssig, ob sich mit der Forderung nach einer höheren Belastung der Patienten Wahlkampf machen lässt. Klar ist jedoch, dass die Debatte um eine Gesundheitsreform 2003 unter dem Vorzeichen einer Teilprivatisierung des Systems stehen wird.

Bsirske verwies zur Illustration auf die Idee der Ärzteorganisation Hartmannbund, Unfallkosten bis zu einer Höhe von 4.250 Euro vom Patienten selbst zahlen zu lassen. „Entschiedenen Widerstand“ kündigte Bsirske gegen jeden Versuch an, eine Zweiklassenmedizin zu etablieren. „Zentraler Bezugspunkt“ seien vor allem die Patienteninteressen. Diese – hier deutete sich doch ein kleiner Graben zwischen Ver.di und Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) an – würden im von Lobbygruppen beherrschten System zu wenig beachtet.

Bsirske kritisierte noch einmal die Nachgiebigkeit Schmidts gegenüber der Pharmaindustrie und erklärte: „Wir müssen uns mit vermachteten Interessen anlegen.“ Konkret will Ver.di darauf drängen, dass das Ausgleichssystem zwischen den Krankenkassen verbessert wird. Ziel ist es, den Wettbewerb der Kassen um gesunde Versicherte einzudämmen und die Kassen zu belohnen, die sich um chronisch Kranke kümmern.

Schmidt hat zwar im vergangenen Jahr stolz ihre „Disease-Management-Programme“ vorgestellt, in denen zum Beispiel Diabetiker effizienter betreut werden sollen, doch haben sich Ärzte und Kassen immer noch nicht darauf geeinigt, wie die angestrebte integrierte Versorgung überhaupt aussieht. „Hier erwarten wir von der Ministerin, dass sie der Selbstverwaltung von Ärzten und Kassen auf die Füße tritt“, sagte der Ver.di-Gesundheitsexperte Herbert Weisbrod-Frey gestern zur taz. UWI