Kampf beendet, Krieg nicht

US-Befehlshaber Tommy Franks gibt das Ende der Offensive in Ostafghanistan bekannt. Weitere Angriffe sind bereits geplant. Ein Einsatz in Somalia ist „künftig nicht ausgeschlossen“

von ERIC CHAUVISTRÉ

„Ich vermutet, dass diese Art der Operation sich wiederholen wird.“ Als General Tommy Franks gestern bekannt gab, die „Operation Anaconda“ werde „innerhalb von zwölf Stunden“ beendet, bereitete er die Öffentlichkeit schon auf die nächste Offensive vor. „Es ist für die al-Qaida und Taliban-Kämpfer möglich, sich in verschiedenen Teilen des Landes neu zu sammeln“, sagte der Oberkommandierende der US-Truppen in Afghanistan, der zum Ende der „Operation Anaconda“ persönlich zu dem US-Luftwaffenstützpunkt Bagram nördlich von Kabul gekommen war. „Deshalb sagen wird nicht, dass es vorbei ist“, stellte Franks klar. Es gäbe bereits Vorstellungen, wo die nächsten US-Angriffe stattfinden würden. Auch Berichte über Baumaßnahmen an der Air Base Bagram und intensive Flugbewegungen könnten auf weiterer US-Offensiven hinweisen.

Wieviele mutmaßliche Taliban- und al-Qaida-Anhänger bei der „Operation Anaconda“ tatsächlich getötet wurden, ist für die US-Streitkräfte offenbar schwer einzuschätzen. Nach eigenen Angaben wurde beim Absuchen des bombardierten Gebiets etwa 30 Leichen gefunden. Auch ein Anführer der mit den US-Truppen kämpfenden afghanischen Verbände sagte gestern es seien nur wenige Leichen entdeckt worden. US-Militärs vermuten deshalb, dass hunderte Gegner über die Grenze nach Pakistan entkommen sind. Zuvor waren die US-Streitkräfte und ihre Verbündeten, darunter deutsche KSK-Soldaten, aufgrund des heftigen Beschusses zu Beginn der Offensive von mehreren hundert Gegnern ausgegangen.

Angesichts der amerikanischen Erfolgsmeldungen warnte der russische Verteidigungsminister gestern vor „übertriebenem Optimismus“. Wir haben Erfahrungen mit Afghanistan“, sagte Sergej Iwanow dem US-Fernsehsender NBC. „Es wird Jahre dauern, um die Wurzeln der al-Qaida und der Taliban zu zerstören.“ Den relativen Erfolg der US-Kampagne erkläre Iwanow damit, dass die USA bislang nicht jeden Quadratmeter Afghanistans kontrollieren wollten. Die sowjetische Invasion sei an dem Anspruch gescheitert, militärische Macht über das ganze Land ausüben zu wollen.

Franks, der als Oberkommandierender des „Central Command“ für alle US-Streitkräfte zwischen dem Nahen Osten, dem Horn von Afrika und Zentralasien zuständig ist, deutete indes eine Ausweitung des US-Einsatzes auf Somalia an. Franks sprach in dem BBC-Interview von eindeutigen Beweisen für die Präsenz der al-Qaida in Somalia und sagte „wir sind besorgt über die Situation in Somalia.“ Die Möglichkeiten der Aktion in solchen Ländern werde die USA deshalb „nicht von der Tagesordnung nehmen“.

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