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Brauchen wir dieses Gesetz?

Das neue Zuwanderungsgesetz schafft ein modernes und vereinfachtes Ausländerrecht, das nicht nur vom Abwehrgedanken getragen ist. Es öffnet Türen für die, die wir brauchen, und schützt jene, die uns brauchen. Damit stellt sich der Entwurf den Herausforderungen, die mit dem Zukunftsthema Immigration verbunden sind, meint MARIELUISE BECK

ja

Lassen wir einmal allen Schall und Rauch, alles Wahlkampfgetöse um das Zuwanderungsgesetz beiseite. Nach fast zweijähriger Debatte, nach neunmonatiger Arbeit der unabhängigen Kommission Zuwanderung und nach viermonatiger parlamentarischer Beratung liegt dem Bundesrat nun ein Zuwanderungsgesetz vor, das besser ist als sein Ruf. Sicher ist es nicht das „modernste Zuwanderungsrecht“, das sich eine grüne Ausländerbeauftragte vorstellen kann. Aber es ist unterm Strich das beste Ausländerrecht, das Deutschland je hatte. Natürlich ist es ein Kompromiss, aber einer, in dem sich viele gesellschaftliche Kräfte wiederfinden: Arbeitgeber und Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbände und Migrantenorganisationen. Eigentlich alle – außer der Union – plädieren für die Verabschiedung.

Die Reform schafft ein modernes und vereinfachtes Zuwanderungsrecht, das statt verschämter Ausnahmeregelungen Arbeitsmigration nach Bedarf zulässt und unser Land für die „besten Köpfe“ attraktiver macht. Es sichert einen humanitären Flüchtlingsschutz, in dem es völkerrechtliche Standards umsetzt, und beendet das System organisierter Unverantwortlichkeit für geduldete Flüchtlinge. Es enthält mit dem Punktesystem eine demografische Komponente und macht unser Recht europatauglich. Es befreit Unionsbürger von Aufenthaltstiteln und garantiert Rechtssicherheit durch einen Niederlassungsstatus und Übergangsregelungen. Es gibt ausländischen Studierenden die Möglichkeit, nach dem Studium hier zu arbeiten. Es bietet Bürgerkriegsflüchtlingen vorübergehenden Schutz und es bietet Lösungen für Härtefälle. Es bringt den Einstieg in eine Integrationsförderung, die systematisch und frühzeitig Wege in unsere Gesellschaft eröffnet. Kurzum: Es stellt sich den Herausforderungen, die mit dem Zukunftsthema Zuwanderung verbunden sind.

Nicht immer tut es dies mit gesetzgeberischer Eleganz. Statt einer einheitlichen Volljährigkeitsgrenze sind die Regelungen zum Kindernachzug unübersichtlich und kompliziert. Schon der Referentenentwurf des Bundesinnenministers vom August letzten Jahres hatte gezeigt, dass auch im Zuwanderungsrecht „gut gemeint“ nicht immer „gut gemacht“ ist. Doch in zahlreichen Verhandlungsrunden konnten viele Mängel beseitigt werden. Unter dem Eindruck des 11. September drohte der migrationspolitische Frühling, der mit der Vorlage des Süssmuth-Berichtes angebrochen war, einem sicherheitspolitischen Herbst zu weichen. Und angesichts steigender Arbeitslosenzahlen wollte mancher aus einem Zuwanderungsgesetz ein Zuwanderungsbegrenzungsgesetz machen. Es ist wohl der Hartnäckigkeit der Bündnisgrünen zu verdanken, dass das Reformprojekt Zuwanderungsgesetz durch diesen heftigen Gegenwind nicht in sein Gegenteil verkehrt wurde.

Der nun vorliegende Entwurf würde ein modernes Ausländerrecht für Deutschland schaffen, das nicht allein vom Abwehrgedanken getragen ist. Er öffnet Türen, für die, die wir brauchen, und schützt jene, die uns brauchen. Wenn er denn verabschiedet wird. Denn die Union, die sich so lange der Realität unserer Einwanderungsgesellschaft verweigert hat, ist nun dabei, sich der Verantwortung für ihre Gestaltung zu verweigern.

Diese Weigerung heißt, Chancen zu vertun. Ob diese Chancen wiederkommen, ist fraglich. Das Warten auf bessere Zeiten und andere politische Mehrheitsverhältnisse, die weitgehendere Reformen ermöglichen, schreibt nur den unbefriedigenden Status quo fest. Gerade im Hinblick auf ein Vermittlungsverfahren ist mir diese Taube in der Hand jedenfalls lieber als alle Spatzen auf dem Dach.

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