„Große Klappe, nichts dahinter“

Der Grünen-Haushaltsexperte Oliver Schruoffeneger kritisiert so genannte Luftbuchungen im rot-roten Sparhaushalt: „Das ist der alte Lug und Trug.“ Die Kosten für die Bankrisiken sind möglicherweise noch höher als bisher veranschlagt

taz: Der Senat hat einen Haushalt vorgelegt, der den Berlinern Opfer abverlangt. Sind Sie froh, keine Regierungsverantwortung zu tragen?

Oliver Schruoffeneger: Keinesfalls, denn das hätten wir besser hinbekommen. Die Senatsvorlage kann man nur charakterisieren als große Klappe und nichts dahinter. Man ist im Vorfeld mit Eckzahlen aufgetreten, hat gesagt, man wolle 700 Millionen Euro bei den Sachausgaben sparen. Davon ist jetzt nicht einmal die Hälfte übrig geblieben. Im Personalbereich ist ein Großteil durch Pauschalen erbracht, das heißt, die konkreten Einsparungen stehen noch gar nicht fest. Außerdem wälzt der Senat die Sparlast auf die Bezirke ab. Von 149 Millionen Euro im Sachmittelbereich sollen die Bezirke 148 Millionen Euro erbringen, der Senat nur 1 Million. Das ist skandalös.

Dass die Ziele im Vorfeld von Verhandlungen höher sind als das, was hinterher rauskommt, ist doch ein üblicher Vorgang …

Man muss sich in Berlin irgendwann überlegen, ob man eine realistische Planung macht. Wir können eine Milliarde Euro bei den Sachausgaben und eine halbe Milliarde bei den Personalausgaben einsparen. Nur auf Basis einer seriösen und erreichbaren Sparanstrengung können wir mit dem Bund verhandeln, welche Hilfen das Land braucht, um seinen Haushalt zu sanieren. Andernfalls wird der Bund nicht bereit sein, uns zu helfen.

Ihnen gehen die Sparbemühungen nicht weit genug?

Das haben wir nicht gesagt. Die Bemühungen sind nur nicht realistisch im Vergleich zu den ursprünglichen Vorgaben. Was herausgekommen ist, entspricht in etwa den Eckzahlen, die wir immer formuliert haben. Aber selbst die erkennt der Senat nicht an, sondern verschiebt alles Nichterreichbare auf 2004. Das wird dann auch nicht erzielt werden. Ein Hürdenläufer, der immer die zu hoch gebauten Hürden reißt, verliert am Ende.

Sind die Ansätze beim Vermögensverkauf realistisch?

Das ist der alte Lug und Trug, wie wir ihn seit zehn Jahren aus der großen Koalition kennen. Um das Nichterreichen der Sparziele zu verschleiern, werden die prognostizierten Einnahmen aus Vermögensverkäufen hochgesetzt, die sich aber nicht erzielen lassen.

Mit rund 600 Millionen Euro hat Rot-Rot die Einnahmen durch Verkäufe geringer als in den Vorjahren angesetzt.

Aber wir haben ja auch schon fast alles verkauft, was in Berlin zu verkaufen geht. Wenn der Senat hier nichts Konkretes nennt, ist das eine Luftbuchung.

Dickster Brocken ist die Risikoabschirmung für die Bankgesellschaft, die jährlich 300 Millionen Euro kostet. Werden Sie im April dem entsprechenden Gesetz zustimmen?

Die Höhe der Risiken, die sich nach der Senatsvorlage auf 3,7 Milliarden Euro summiert, ist noch viel zu optimistisch angenommen. Niemand weiß, wie sich der Immobilienmarkt in den nächsten Jahren entwickelt. Von 3,7 bis ungefähr 10 Milliarden Euro ist alles denkbar. Zum jetzigen Zeitpunkt habe ich große Schwierigkeiten, dem Gesetz zuzustimmen.

INTERVIEW: RICHARD ROTHER