Barenboim fordert Rücktritt von Scharon

Der Dirigent verlangt im taz-Gespräch harte politische Einschnitte. Das Wagner-Tabu in Israel hält er für symptomatisch

BERLIN taz ■ Der israelische Stardirigent Daniel Barenboim hat den Ministerpräsidenten seines Landes, Ariel Scharon, zum Rücktritt aufgefordert. Scharon habe seinen Wählern Frieden und Sicherheit versprochen, sagte der musikalische Leiter der Berliner Staatsoper der taz. „Frieden gibt es nicht, und das Land war nie so unsicher wie heute. Also muss er der Ehrlichkeit halber sagen: Meine Strategie hat nicht funktioniert. Ich nehme meinen Hut und gehe.“

Barenboim verlangte auch die Ablösung von Palästinenserpräsident Jassir Arafat. „In Palästina müssen unbedingt demokratische Wahlen kommen.“ Auch viele Palästinenser störten sich an mangelnder Demokratie und Korruption in der eigenen Führung. Ein dauerhafter Frieden erfordere Konzessionen von beiden Seiten. „Von israelischer Seite heißt das auf jeden Fall: Die jüdischen Siedlungen im Westjordanland müssten abgebaut werden.“

Der 59-jährige Künstler, der von Sonntag an als erster Musiker überhaupt alle zehn großen Opern von Richard Wagner in Folge dirigiert, äußerte sich auch zum Streit über den Antisemitismus des Komponisten. Man könne Wagner „nicht für Auschwitz verantwortlich machen“, sagte Barenboim, der vorigen Sommer mit einer Wagner-Aufführung in Jerusalem einen großen Eklat verursacht hatte. Das Wagner-Tabu in Israel sei symptomatisch für den Umgang der Israelis „mit nichtjüdischen Angelegenheiten überhaupt“. RAB

interview SEITEN 4 und 5