Müll mit Millionen geschmiert

Der Hamburger Ingenieur Hans Reimer kassierte Bestechungsgelder für Bauaufträge und will damit Politiker „beatmet“ haben  ■ Von Marco Carini

Der Kölner Müllskandal wirft seine Schatten auf Hamburg. Auch in der Hansestadt und Umgebung wurden mithilfe sechsstelliger Bestechungssummen Aufträge im lukrativen Müllgeschäft verschoben. Das hält die 18. Strafkammer des Hamburger Landgerichts seit gestern für erwiesen. Im Mittelpunkt des Prozesses steht der Hamburger Ingenieur Hans Reimer, der sich wegen Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe verantworten muss. Reimer selbst jedoch bestreitet jeglichen Eigennutz: Er habe mit dem Geld Politiker „beatmet“.

Die hinterzogenen Beträge sollen sich ausschließlich aus Schmiergeld zusammensetzen, die Reimer von Anlagenbauern wie Preussag Noell, Babcock oder ABB erhielt, denen er lukrative Aufträge besorgte. Der Ingenieur war als Mitinhaber des inzwischen verkauften Planungsbüros „Göpfert, Reimer und Partner (GRP)“ am Bau von etwa der Hälfte aller deutschen Müllverbrennungsanlagen beteiligt, seine Gutachten und Fürsprache entschieden zumeist über die Auftragsvergabe mit.

Rund 20 Schmiergeldzahlungen in Höhe von insgesamt rund 20 Millionen, die Reimer erhalten und nicht versteuert haben soll, beschäftigen das Gericht. In drei Fällen, die in Hamburg, Pinneberg und Brunsbüttel spielen, hält es der Vorsitzende Richter Klaus Rühle für erwiesen, dass Reimer Bestechungszahlungen erhalten hat. Fast immer wurde das Geld über das Firmenkonto der Schweizer Firma Pentag transferiert.

So informierte nach Auffassung des Gerichts Reimer das Wiener Unternehmen Austrian Energy davon, dass es einen Auftrag der Hamburgischen Electricitäts-Werke (HEW) für eine Turbinenanlage bekommen könnte, wenn es den Preis um 100.000 Mark senken würde. Das Unternehmen tat wie ihm geheißen. Für seine „Acquisitionsbemühungen“ stellte Reimer den Wienern 105.000 Mark in Rechnung, die am 2. September 1996 über die Pentag flossen.

Tatsächlich bekam – bereits Anfang 1995 – Austrian Energy den Auftrag, in der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm eine Turbine zur Wärme- und Stromerzeugung einzubauen. Reimer, der im Auftrag der Umweltbehörde an der Standortsuche für die Anlage beteiligt war und diese später für die HEW konzipierte, soll laut deren Sprecher Mario Spitzmüller „an der Auftragsvergabe für die Turbine in keiner Form beteiligt gewesen“ sein. Diese habe auschließlich in Hand der Tochterfirma HEW-Entsorgung gelegen.

Auch bei der Auftragsvergabe für eine Gewerbemüllsortieranlage und eine Kompostierungsanlage an die Firma Horstmann Fördertechnik habe Reimer „Provisionen“ verlangt und zumindest im Fall der Biomüllanlage auch erhalten: Am 21.8.1995 flossen 75.600 Mark ebenfalls über die Pentag-Konten.

Bereits 1994 soll Reimer nach Auffassung des Gerichts vom Würzburger Unternehmen Noell 2,9 Millionen Mark dafür erhalten haben, dass er es für den Bau der 1998 fertiggestellten Sondermüllverbrennungsanlage in Brunsbüttel ins Gespräch gebracht hatte.

Brisant dabei: Reimer bestreitet die Annahme der Gelder nur zum Teil. Er behauptet über seinen Anwalt Johann Schwenn, er habe das Geld – etwa im Fall Brunsbüttel – an Politiker zur „Beatmung“, wie das Schmieren in der Müllbranche genannt wird, weitergeleitet. Namen allerdings nannte Reimer bislang nicht: Er wird es aber müssen, wenn er nicht jahrelang hinter Gitter wandern will.

Der Prozess wird forgesetzt.