Noch nicht mal richtig out

■ Karimah El-Giamals „kurzwelle“-Inszenierung auf Kampnagel

Mira und Arben sind draußen. Leider. Denn sie wären gerne drin. In. Auf der coolen illegalen Party-Location in der U-Bahn-Unterwelt. Auf dem Weg dahin zerbricht ihre Beziehung.

Das ist der Gegenstand von Karimah El-Giamals Regie-Diplom-Abschluss-Inszenierung auf Kampnagel, wo sie Daniel Goetschs kurzwelle uraufführte. Doch neben dem Drin/draußen-Sein liegen noch weitere Themen in der Luft: die Entfremdung zwischen Mira und Arden, eine geheimnisvolle, tödliche Krankheit sowie der Gerechtigkeitssinn des Türstehers Frank, der von Demokratie faselt, aber die zwei Gäste vor der Tür stehen lässt. Ausreichend Konfliktmaterial also; die Vergangenheit überschattet die Gegenwart der beiden Partygänger. Doch keins der Themen wird ausgespielt. Mira (Katrin Kluge) und Arben (Ralph Gander) passen zusammen: Sie haben sich nichts mehr zu sagen. Unruhig laufen sie am Bahnsteig auf und ab. Die Bühne von Martina Stoian, eine quer über die Bühne laufende Steinmauer, löst in ihnen dieselbe Beklemmung aus wie im Zuschauer; am liebsten möchten sie den Raum schnell verlassen. Mit ihren rastlosen, garstigen Gesten gehören die Protagonisten weder zu den Life-style-Coolen der Clubs, noch zu denen, die sie nachahmen. In Regencape und Gummistiefeln, bzw. hautfarbenem Pulli und aufgeblähter Steppweste wirken sie unecht gekleidet. Kluge und Gander kommen nicht in Spielschwung. Ebenso, wie sie über die wichtigsten Textstellen hetzen, werden die wenigen stillen Bilder der Geschichte – etwa, wenn sich beide ihre verdrängten Erinnerungen offenbaren – nur kurz durchgehalten.

Marek Lamprecht, Björn Salzer und Christian Sellin haben für den U-Bahn-Schacht ein sehr authentisches Licht gewählt. Es fällt steil von oben auf die Akteure, so dass sie keine Schatten werfen und ihre Gesichter nur selten zu sehen sind. Oft halten diese sich am Rand des Lichtscheins, quasi abseits der In-Szene auf, und das abweisende Mauerwerk steht im Zentrum.

Karimah El-Giamal hat sich mit kurzwelle viel vorgenommen. Doch die Gedanken werden nur oberflächlich angerissen, die Stilmittel (Wiederholungen, Video, Fernsehturm, DJ) ratlos eingesetzt und Vorlagen (Kafka, der Orpheus-Mythos) lieblos angespielt. Gültige Antworten bleiben aus. Höchstens Miras stotternde Antwort hat einen gewissen Reiz: „Aber, aber, aber – nur das Jetzt zählt.“

Christian T. Schön

noch heute, Kampnagel, 21 Uhr