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Mit Musik gehandelt

■ Das „Ensemble Intégrales“ legt neue Hanse-Spuren. Ein Gespräch

Das 1993 gegründete Ensemble Intégrales zählt mittlerweile weit über die Grenzen Hamburgs hinaus zu den arriviertesten Schmieden von Nachwuchskräften für zeitgenössische Kammermusik überhaupt. Jetzt treten sie im Faßkeller in Osdorf auf. Wir sprachen mit dem Komponisten und Gründungsmitglied Burkhard Friedrich über die Hanse, Musik und Hamburger Kulturpolitik.

taz hamburg: Was bedeutet „Leaving home – Auf den Spuren der Hanse“, der Titel Ihres derzeitigen Programms?

Burkhard Friedrich: Mit diesem Programm wollen wir einen kulturellen Austausch insbesondere zwischen Amsterdam und Hamburg initiieren. Die Niederlande und Deutschland haben ja eine sehr enge historische Beziehung zueinander. Denn schon durch die mittelalterliche Hanse waren rege Handelsbeziehungen entstanden. Ich vermute, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen und der Umgang mit kulturellen Unterschieden damals ungebrochener und selbstverständlicher waren als heute. Durch die jüngere Geschichte hat sich das natürlich sehr gewandelt. Wir versuchen nun also in unserem Programm Eigenes und Fremdes zu konfrontieren, um eine Kommunikation hierüber in Gang zu setzen. Nur dass wir nicht mit Pelzen, Wachs und Weinen, sondern mit Musik „handeln“.

Wie geht diese Konfrontation genau vonstatten?

Man kann sagen, dass sich zwei sehr verschiedene musikalische Traditionen begegnen. In Holland war der Einfluss der „american school“ – vertreten durch Komponisten wie Cage, Feldman oder Wolff – viel größer als hier zu Lande. Die Kompositionen der beiden in Amsterdam lebenden Kompo-nisten Marko Ciciliani und Yannis Kyriakides stehen durchaus in einer minimalistischen Tradition. Sie sind bestimmt durch freie, kombinierbare Formen mit aleatorischen Anteilen, die die Interpreten dazu auffordern, mit den einzelnen Parametern zu spielen. Diesen Werken liegen Zeitschemen zugrunde. Wir arbeiten also mit Stoppuhren und synchronisieren das Instrumentale mit Live-Elektronik und Zuspielbändern. Hierbei gibt es natürlich viele ästhetische Facetten: Cicilianis Stück Gartenmusik zum Beispiel ist sehr spielerisch angelegt und reicht oft hinein bis ins Improvisatorische. Die Interpreten singen und sprechen Texte wie: „so wie aus dem Raum sie rauscht, kehrt Stille ein ins Haus“.

Kyriakides Komposition chaoids dagegen ist durch massive Elektronik geprägt, und die interpretatorische Freiheit bleibt eher figurativ. Dem stehen die Kompositionen des in Hamburg lebenden Komponisten Xiayong Chen und meine eigenen gegenüber, die eher mate-rialimmanent auf eine postserielle Kompositionsweise zurückgreifen. Hier geht es mehr um Transformationen des Stoffes an sich, um dialektische und ambivalente Bewegungen innerhalb des Materials, das sehr genau und komplex bearbeitet werden soll.

Das Ensemble Intégrales arbeitet oft programmatisch. Wie kommt es dazu?

Vor allem wollen wir kein mainstream-Ensemble für Neue Musik sein. Wir wollen nicht die arrivierten Seiten der Musik zeigen, sondern die unbekannten, überraschenden. Wir suchen also nach Aspekten, die Musik und Komponist in einem anderen Licht erscheinen lassen.

Im nächsten Jahr feiert Ihr Ensemble zehnjähriges Bestehen. Gibt es dafür und für die weitere Zukunft irgendwelche Pläne?

Wir planen ein multimediales Konzert hier in Hamburg, in dem wir unsere letzten Entwicklungen darlegen wollen, denn diese aufwendigen technischen Mittel stehen uns ja noch nicht lange zur Verfügung, waren lange Zeit finanzielle Utopien.

Insgesamt wünsche ich mir, dass die Stadt Hamburg in Zukunft mehr für experimentelle und avantgar-distische Projekte tut, denn die hiesige Musikszene ist in diesem Bereich erschreckend arm. Es gibt quasi überhaupt keinen Diskurs darüber, es mangelt an der Förderung junger Komponisten, es gibt zu wenig Aufführungsorte. In den fast zehn Jahren unseres Bestehens wurden wir zum Beispiel noch nie institutionell gefördert, was für Ensembles in anderen Städten selbstverständlich ist. Wenn die Stadt auf diesem Gebiet eine gute, kontinuierliche Arbeit möchte, müsste sie sich viel mehr dafür engagieren.

Interview: Sascha Demand

Leaving home – Auf den Spuren der Hanse Werke von Friedrich, Ciciliani, Xiayong Chen, Yannis Kyriakides: Sonnabend, 23. 3., 19.00 Uhr, Faßkeller, Brandstü-cken 31

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