Unbezahlbar authentisch

Skater sind treu und entwicklungsfähig: Mit dem partytauglichen Sound der Band H-Blockx zum Familienpapa werden

Wer sagt eigentlich, dass Menschen, die schweinemetalmäßigen Crossover-Rock produzieren, nebenberuflich keine Feingeister sein dürfen? Mit Henning Wehland, Sänger und Rapper bei H-Blockx, kann man vorzüglich über das Schärfen von edlen Küchenmessern parlieren. Gerade eben hat Wehland bei MTV ein gediegenes Menu vorgekocht. Anschließend hat er was von „Konvergenzverlusten“, „Marketing-Tools“ und „Weiterführungskonzepten“ gesprochen, und schließlich gestanden: „Ich muss jetzt mal rülpsen.“

Diese kleine Episode beschreibt gut das Spannungsverhältnis, in dem sich H-Blockx seit ihrer Gründung vor 12 Jahren bewegen. Damals war Wehland zwar fanatischer Udo-Lindenberg-Fan, aber auch schon überzeugter Skateboarder, fünf, sechs Stunden täglich auf dem Brett. Inspiriert von den Red Hot Chili Peppers gründeten er und seine Kumpels in Münster eine Kapelle, die alle ihre Vorlieben zusammen führen sollte: Die schwer stampfenden Gitarren des Heavy Metal, die rhythmische Leichtigkeit von Funk, den Sprechgesang des Rap und natürlich die Liebe zum Skateboard. Mit dem geduldigem Bespielen von kleinen Klubs und mittelgroßen Skater-Festivals band man die geneigte Zielgruppe an sich: Skater spielen für Skater.

Aber dieser harte Fan-Kern allein erklärt nicht, dass H-Blockxregelmäßig in die Charts einsteigen, das aktuelle Album „Get in the Ring“ gar auf Nummer 14. Schon mit ihrem ersten beiden Alben trafen sie auf einen Zeitgeist, der kurz darauf zum Mainstream werden und Bands wie Limp Bizkit oder Kid Rock an die Spitze spülen sollte. Was in unseren Breitengraden immer noch als eher alternativ, irgendwie links und auf jeden Fall halbwegs aufgeklärt gilt, ist in den USA längst zu Schunkelstimmungsmucke für White Trash aus den Trailer-Parks verkommen. So fanden sich bei den ersten Konzerten der Münsteraner in den USA schon mal Glatzköpfe mit auf den Bauch tätowierten Hakenkreuzen vor der Bühne ein und erboten der Band den Hitlergruß. Wehlands Flucht aus dem Club war filmreif.

Auf der anderen Seite des Teiches ist Wehland, Anteilseigner einer Firma, die Minderjährigen die Mechanismen der Börse näher zu bringen versucht. Doch auch in kommerziell erfolgreichen Zeiten versuchte die Band Ideale aufrecht zu erhalten. Playback-Auftritte werden prinzipiell abgelehnt, Anfragen von Werbeagenturen sehr genau überprüft, und Plattenbosse, die die ersten Demos überprüfen wollen, werden mit fertig abgemischten Platten vor vollendete Tatsachen gestellt. „Mittlerweile wissen wir, wie das Geschäft funktioniert“, glaubt Gitarrist Tim Tenambergen, „da kann man es besser steuern.“

Solches Selbstbewusstsein hat ihnen in ihrer Fangemeinde einen unbezahlbaren Authentizitätsbonus beschert, auch wenn der Rest der Republik hinter der fröhlich rollenden Gitarrenbreitseite immer noch kaum mehr vermuten mag als lautstarke Party-Beschallung auf höchstem Niveau. Aber ob sie Johnny Cashs „Ring of Fire“ ins Stahlgewitter tauchen oder die Disco-Combo Snap sampeln, die Botschaft bleibt dieselbe: Egal, was wir tun, wir bleiben wir und wir bleiben uns treu. Oder, wie es Henning Wehland formuliert: „Snowboard fährt doch jeder Familienpapa.“ THOMAS WINKLER

22.3., 21 Uhr, Casino, Mühlenstr.26-30, Friedrichshain