Eine, die auszog, Korruption zu bekämpfen

Karin Rätzel, neu gewählte Oberbürgermeisterin von Cottbus, will das „Wespennest der Korruption“ ausheben

Karin Rätzel holt sich Korruptionsexperten ins Haus. Dabei ist sie dort gerade erst eingezogen. Fremd ist ihr das Interieur trotzdem nicht. Vor einem Jahr hatte man Rätzel just aus diesem Haus rausgeschmissen.

Karin Rätzel gewann am vergangenen Wochenende überraschend die Oberbürgermeisterwahl in Cottbus. Über zwei Drittel des Wahlvolks stimmten für die Einzelbewerberin, die ohne jede Parteiunterstützung angetreten war. Nein, besonders originell ist ihr Wahlprogramm nicht. Ihre Vorgeschichte aber schon.

Anfang der 90er-Jahre wurde Karin Rätzel kaufmännische Geschäftsführerin der Gebäudewirtschaft Cottbus GWC. 1994 wechselte die SPD-Frau ins Rathaus, wo sie den Job als Beigeordnete für Finanzen übernahm. Und das muss in Cottbus ein ziemlich schwieriger Job gewesen sein. Ende der 90er-Jahre begann die Finanzbeigeordnete, sich zuerst intern über „mafia-ähnliche Strukturen“ zu beschweren. Als sich nichts änderte, prangerte die 54-Jährige auch öffentlich Baufilz und ein „Wespennest aus Korruption“ an.

Was dem CDU-Oberbürgermeister Waldemar Kleinschmidt gar nicht passte. Er geißelte seine SPD-Beigeordnete als „Störenfried“ und „Nestbeschmutzer“ und strengte ein Abwahlverfahren an. Als sich dann selbst der SPD-Fraktionschef Reinhard Drogla für die Abwahl der Sozialdemokratin ausprach, war deren Schicksal besiegelt: Im Jahre 2000 musste Karin Rätzel ihren Schreibtisch räumen, vier Tage vor Weihnachten. Aus Enttäuschung über das Verhalten ihrer Genossen gab sie auch gleich noch das SPD-Parteibuch zurück.

Zeitgleich allerdings kam immer mehr ans Tageslicht, wie Recht Rätztel doch hatte: Dubiose Grundstückstransaktionen wurden aufgedeckt, alte Stasi-Seilschaften, die bei der Auftragsvergabe von der kommunalen Gebäudewirtschaft GWC bevorzugt wurden. Als das Cottbusser Stadtfernsehen dann eine Rechtfertigungserklärung der GWC-Geschäftsführer sendete – sich vorher aber nicht um Aufklärung der Filzvorwürfe geschert hatte –, flog auch der Sender auf – als Instrument des Filzes. Die Staatsanwaltschaft und ein Wirtschaftsprüfungsunternehmen befassen sich jetzt damit.

Cottbus liefert ein wunderbares Beispiel, wie schnell das Image einer Stadt im Osten umschlagen kann: Während etwa der Spiegel einst Potsdam als „Jammerhauptstadt“ feierte, galt Cottbus als „Stadt des Aufbruchs“ und OB Kleinschmidt als „cooler Macher“. Die Bundesgartenschau 1995 brachte tatsächlich spürbaren Auftrieb und positive Schlagzeilen. Doch nach der Buga schlug das Klima wieder um: Investoren blieben aus, die Arbeitslosigkeit wuchs, die Zahl derer, die Cottbus verließen, wuchs genauso schnell wie das Loch in der Stadtkasse. Und dann kam die Korruption dazu. Die Industrie- und Handelskammer Cottbus sah in ihr eine „nachhaltige, nicht mehr auszugleichende Beschädigung des Wirtschaftsstandortes Cottbus“.

Karin Rätzel sagt jetzt: „Damals wurde ich scharf angegriffen, jetzt lasse ich die Vorgänge überprüfen.“ Deshalb holt sie sich Experten von Transparency International ins Haus. Derart hofft sie ernsthaft, eines ihrer Wahlversprechen umzusetzen zu können: als Parteilose die „bestehenden Machtstrukturen im Rathaus aufzulösen“.

NICK REIMER