Ja, nein oder beides

Zuwanderungsgesetz im Bundesrat: Alles ist möglich – theoretisch sogar ein gesplittetes Votum aus Brandenburg

BERLIN taz/ap/dpa ■ Der Ausgang der heutigen Bundesratsentscheidung über das Zuwanderungsgesetz war bis gestern Abend immer noch offen.

Variante eins: Die Mehrheit des Bundesrats (35 Stimmen) stimmt für ein Vermittlungsverfahren – dann wird über das Gesetz heute gar nicht mehr abgestimmt. In diesem Fall muss zwischen Bundesrat und Bundestag neu verhandelt werden.

Variante zwei: Ein Vermittlungsverfahren wird abgelehnt und eine Mehrheit stimmt anschließend dem Gesetzentwurf zu. Dann kann das rot-grüne Zuwanderungsgesetz zum 1. Januar 2003 in Kraft treten.

Variante drei: Ein Vermittlungsverfahren wird abgelehnt, aber eine Mehrheit lehnt auch den Gesetzentwurf endgültig ab.

Variante vier: Die Bundesregierung erreicht die Zustimmung zum Gesetz durch einen ergänzenden „Entschließungsantrag“, in dem strittige Fragen wie die Verteilung der Integrationskosten geklärt werden.

Zum formalen Ablauf: Zunächst wird der amtierende Bundesratspräsident, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), die Frage stellen, ob generell ein Vermittlungsverfahren gewünscht wird. Eine Mehrheit dafür gilt als wahrscheinlich, weil neben den unionsregierten Ländern auch Brandenburg und Rheinland-Pfalz angekündigt haben, prinzipiell für eine Vermittlung zu stimmen. Aber dann könnte es spannend werden. Denn anschließend wird über die in einem Vermittlungsverfahren zu behandelnden Punkte abgestimmt. Die Union will das Gesetz „dem Grunde nach“ auf den Prüfstand stellen. Rheinland-Pfalz und Brandenburg wollen jedoch nur einzelne Punkte ändern. Offen war bis gestern, ob sich die Union auf ein begrenztes Vermittlungsverfahren einlässt.

Scheitert die Anrufung des Vermittlungsverfahrens, kommt es zur Abstimmung über das vorliegende Gesetz. Für diesen Fall hat sich Rheinland-Pfalz festgelegt, mit Ja zu votieren. Damit hätte Rot-Grün 31 Stimmen, die aber noch nicht reichen würden. Die Vertreter der großen Koalition in Brandenburg, Manfred Stolpe (SPD) und Jörg Schönbohm (CDU), wollten sich erst am Freitagmorgen auf ihr Abstimmungsverhalten festlegen.

Unwahrscheinlich, aber theoretisch möglich wäre es aber auch, dass Stolpe „Ja“ sagt und Schönbohm „Nein“ ruft. Nach Auskunft der Bundesratsverwaltung wäre ein solches gesplittetes Ländervotum als ungültig zu werten. Bundesrats-Sprecher Michael Wisser sagte gestern, entscheidend sei Artikel 51 Grundgesetz, Absatz 3, Satz 2: „Die Stimmen eines Landes können nur einheitlich abgegeben werden.“ Bundesratspräsident Wowereit sei an die Empfehlung der Fachleute aber nicht gebunden, sagte der Sprecher. „Der Präsident leitet die Sitzung und die Abstimmung und entscheidet allein darüber, wie er die Stimmenabgabe wertet.“ LKW