Mobiler Modellcharakter

Ob aus Spaß am Tüfteln oder praktischer Notwendigkeit: Fahrtüchtig sind sie immer, die Fahrrad-Konstruktionen der Hobby-Bastler  ■ Von Anja Schaaf

Wenn Klaus Beck in seiner Reihenhaussiedlung in Norderstedt mal wieder zur Jungfernfahrt startet, dann tut er das lieber bei Nacht. Das nachbarliche: „Ach guck mal, da ist schon wieder der Beck mit einem seiner komischen Fahrräder“, hört der Lehrer für Kunst und Physik nicht gern. Dabei feiert der 60-Jährige mit seinen „komischen“ Rädern seit Jahren Erfolge: Zusammen mit Schülern zum Beispiel baute er 1989 ein Solarrad, das bei einer Rallye in europäischer Konkurrenz den vierten Platz belegte, und auf seinen Frontantrieb für Liegeräder ließ der Otto-Versand für ihn ein Patent anmelden.

Wie kommt ein Autodidakt zu solchen Erfolgen? „Ich habe wie ein kleiner Junge mit meinen Schülern gebastelt“, erzählt Beck. Der unbefangene Umgang mit der Technik ist sein Rezept. Beck und sein Studienfreund Karl Nörenberg begannen Anfang der 80er mit der Entwicklung von Liegerädern. „Man müsste unter dem Wind durchrutschen können“, beschreibt Beck seine Vision. Nörenberg dachte ähnlich: „Der norddeutsche Wind hat mich genervt“, sagt der 60-Jährige lapidar, der seinen „langen Weg zur Schule mit dem Rad zurücklegen musste“. Es entstanden hoch oder tief liegende Räder, die vor allem sehr lang und sperrig waren. Beck aber wollte ein möglichst kurzes Liegerad, auf dem er trotz seiner langen Beine gut fahren könnte. Also hörte er auf, die Kette wie bisher nach hinten zu führen, und entwarf den Frontantrieb.

Reich wollen die beiden Tüftler mit ihrem Hobby nicht werden, die Fahrradbastelei ist in erster Linie eine Freizeitbeschäftigung. „Neue Konstruktionen skizziere ich schon morgens am Frühstückstisch“, sagt Klaus Beck. Die Skizzen stapeln sich im Winter in den Schubladen. Ist ein Entwurf ausgereift und das Material, das größtenteils aus dem Schrott stammt, besorgt, „dann wird oft an einem Wochenende zusammengebaut“. Oder auch wieder auseinander montiert: „Früher hatte ich den Ehrgeiz, alle Modelle aufzubewahren, aber den Platz hat man in einem Reihenhaus nicht“, bedauert Beck.

Dafür hat er Fotos. Von einem zunächst unscheinbaren schwarzen Koffer zum Beispiel, der durch ein paar Handgriffe zum Fahrzeug wird – mit vier Rädern, einem Joystick und Bremsen. Immerhin 25 Kilometer in der Stunde bringt das Gefährt, das Material stammt aus Überbleibseln Beckscher Elektro-Rad-Konstruktionen. Besondere Hingucker in der Fotosammlung sind die Hochräder aus Holz und Metall – und einige sind auch leibhaftig in der „Fahrradscheune“ in Wewelsfleth zu besichtigen.

Während Klaus Beck sich mehr für die technische Umsetzung von Ideen und die Geschichte der Fahrrad-Konstruktion interessiert, steht für seinen Freund Karl Nörenberg der politische Aspekt im Vordergrund. Als in seinem Wohnort Prisdorf Anfang der 80er ein Tangentenring gebaut werden sollte, kämpfte Nörenberg dagegen. Erfolgreich – und mit persönlichen Konsequenzen. „Ich kann nicht selbst Auto fahren und gleichzeitig gegen die Tangente sein“, folgerte er, erhob das Fahrrad zu seinem täglichen Transportmittel und kämpft seitdem mit dem oft wenig Radler-freundlichen Hamburger Straßenverkehr.

Auch der Hamburger Verkehrsverbund HVV ist ihm bei der Umsetzung seiner Vorsätze nicht gerade behilflich. Als Lehrer ist Nörenberg gezwungen, sein Fahrrad während der Sperrzeiten zwischen 6 und 9 Uhr beziehungsweise 16 und 18 Uhr mit in die Bahn zu nehmen. Die ausgetüftelte Gegenmaßnahme: Ein Kurzrad, das im Vorraum der Bahn fast keinen Platz wegnimmt. „Ich wollte niemanden stören, deshalb war meine Vorlage die Sitzbreite.“

Verwunderte Blicke, die das asymmetrische Rad mit seinen verschieden großen Rädern auf sich zieht, lassen den Erfinder kalt. „Das kurze Rad hat die selben Laufeigenschaften wie ein normales“, betont Nörenberg. Aus dem Rahmen wurde ein Stück herausgenommen, der Sattel wurde etwas nach hinten versetzt, damit die Knie nicht an den Lenker stoßen. Dadurch ist das Körpergewicht auf das große Hinterrad verlagert und das kleine Vorderrad wird entlastet. „Weil die Standfläche beim großen Rad durch weniger Druck erreicht wird, ist die „Walkarbeit“ beim Fahren nicht so stark“, erklärt der Lehrer.

Die Vorteile dieses etwas eigenwillig gestalteten Rades sind unübersehbar: Es passt in einen Kofferraum, lässt sich ohne Probleme die Treppen rauf und runter tragen und kann leicht überall mit hingenommen werden. Sogar in die S- und U-Bahnen des HVV. Dessen Kontrolleure dulden das Kurzrad inzwischen mit einem nachsichtigen „Naja“.