Alle Zwerge wären gerne Riesen

■ Von Schweinen und Zwangssystemen: Am Samstag ist die Uraufführung der „Kommunikation der Schweine“ zu sehen / Die taz sprach mit dem Autor

ine Uraufführung am Stadttheater Bremerhaven? Selten verläuft sich ein junger Dramatiker bis in die Seestadt, noch seltener einer, der in Wien lebt und es dort als Theaterautor bis zu den Wiener Festwochen gebracht hat. „Mehr zufällig und über verschlungene Pfade“ kommt laut Woelfl das Stadttheater Bremerhaven dazu, sein Stück „Kommunikation der Schweine“ zum ersten Mal auf dem Theater zu zeigen.

In dem preisgekrönten Kammerspiel geht es um ein geistig und sozial degeneriertes Ehepaar, das sich ganz in seine enge, verklemmte Welt zurückgezogen hat. Das Ehepaar begeht einen Mord und wird schließlich Opfer der staatlich-psychiatrischen Gewalt. Die Jury des Heidelberger Stückemarkts lobte die „gruselige Komik, ausgestattet mit einer Fülle von Alltagsdetails“.

taz : Sind Sie ein neuer Werner Schwab?

Robert Woelfl: Nein, mein Übervater war Thomas Bernhard. Sich aus seiner erdrückenden Umklammerung zu lösen, ist sehr schwer. Ich gehe einen anderen Weg als Werner Schwab. Er suchte die Künstlichkeit, die Übersteigerung in einer grotesken Kunstsprache. Ich versuche dagegen, die Dinge zu reduzieren. Meine beiden Protagonisten Martha und Albert haben für sich ein wahnhaftes Ordnungssystem geschaffen, das sie auf die ganze Gesellschaft anwenden. Sie, die alles richtig machen, gegen die anderen, die alles falsch machen. In ihrer Phantasie ist das Allerschönste das vollkommene Alleinsein. Am Ende finden sie in einem totalen Zwangssystem ihr Glück.

Sie haben eine deftige Institutionenkritik geschrieben? Das wäre nichts Neues.

Nein, das würde ich nicht sagen. Gerade dann, wenn traditionelle Ordnungen wegfallen, kann man sich in den eigenen vier Wänden eine totale Ordnung schaffen. Wenn alte Netze brechen, wohin richten sich dann die Energien? Dann gibt es eine Bewegung zum Wunsch nach mehr Ordnung.

Also sind Martha und Albert dumpfe Spießbürger?

Das ist die Schublade, in der wir sie ablegen können. Aber mir geht es um mehr: ich glaube ihre Motive zu verstehen. Vielleicht leben sie in einem ghettoisierten Wohnblock, in so einer Schuhschachtel, wie eins von fünf Millionen Hühnern in einer Farm. Vielleicht werden sie von ihren Nachbarn nicht anerkannt als das, was sie gerne wären. Vielleicht versuchen sie sich abzugrenzen gegen die anderen und sagen sich: Wir sind besser.

Wenn von außen nur Gleichgültigkeit und Kälte kommen, was kann man dem entgegensetzen?

Bei Martha und Albert kippt es in die Vorstellung einer perfekten Ordnung, die sie abgrenzt und größer macht. Albert sagt: „Alle Zwerge wären gerne Riesen“.

Schreiben Sie aus eigener Anschauung?

Ich bin in einem Elternhaus aufgewachsen, in dem viel Wert auf Ordnung gelegt wurde. Aber viel wichtiger etwas anderes: Die Ideen zu dem Stück sind mir bei meinen Wanderungen durch Wien gekommen. Ich lebe dort seit 15 Jahren und mache manchmal ganztätige und tagelange Wanderungen durch Viertel an der Peripherie der Stadt, die ich kaum kenne. Da entstehen irrsinnig viele Notizen, hunderte von Seiten mit Beobachtungen, Dinge, die man sieht und hört. Es geht mir nicht um eine Dokumentation, nicht um ein Feature. All diese Dinge müssen in eine andere Form überführt werden. Das habe ich in den 90-er Jahren zum erstenmal in Rom ausprobiert auf den Spuren von Pasolinis römischen Stadtvierteln.

Es gibt in Ihrem Stück kein Ausweg aus dem Unglück.

Es ist eine furchtbare Phantasie. Aber in dem Umstand, dass zwei Menschen gemeinsam eine Phantasie haben, einen Traum, darin kann man doch auch etwas Schönes sehen?

Was möchten Sie in Bremerhaven auf der Bühne sehen?

Ich habe mich mit dem Regisseur Alexander Seer über den Kern des Stücks unterhalten. Ansonsten lasse ich mich gerne überraschen. Ich wünsche mir eine gelungene Theateraufführung, aber die soll natürlich eine Interpretation sein.

Hans Happel

Die Uraufführung ist im Stadttheater Bremerhaven, Kleines Haus, am Samstag, 23. März, um 19.30 Uhr. Nächste Aufführungen: 28. März um 20 Uhr und am 2. April, 11. April, 24. April und 26. April, jeweils 20 Uhr. Karten: 0471 – 490 01