„Scherf hat sich natürlich enthalten“

■ Eindrücke aus Berlin vom Ringen um Zuwanderungspolitik im Bundesrat / Ein Gespräch mit der Bundesausländerbeauftragten

Marieluise Beck, Bremer Bundestagsabgeordnete für die Grünen und Ausländerbeauftragte der rot-grünen Bundesregierung, war gestern im Bundesrat dabei, als es um das Zuwanderungsgesetz ging. Ihre Position zu dem Ergebnis der Verhandlungen der letzten Monate hatte Beck in der taz am 20. März erläutert.

taz: Was ist passiert?

Marieluise Beck: Als der Vorsitzende des Bundesrates, der Berliner Bürgermeister Klaus Wowereit, nach dem Stimmverhalten der Länder fragte und Brandenburg aufrief, da erschollen zwei Stimmen. Jörg Schönbohm, der Innenminister, mit „Nein“ und ein anderer Landesminister rief „Ja“.

Und Manfred Stolpe?

Nichts.

Der war aber im Raum?

Stolpe saß vorne. Daraufhin sagte Wowereit: Herr Ministerpräsident, wie stimmt das Land Brandenburg ab?

Woraufhin Stolpe „Ja“ sagt. Und da er die Richtlinienkompetenz hat, hat das Land Brandenburg mit Ja gestimmt.

Damit hatte das Zuwanderungsgesetz die erforderliche Mehrheit?

Ja.

Wer saß denn da für das Land Bremen?

Scherf, Perschau und die Staatsrätin für Bundesangelegenheiten, Ursula Kießling.

Und wie haben die abgestimmt?

Enthaltung natürlich.

Warum natürlich?

Weil vollkommen klar war, dass Henning Scherf niemals seine große Koalition gefährden würde, für ein Zuwanderungsgesetz.

Ist denn der Inhalt egal, um den es da geht?

Auf jeden Fall ist Scherf das Hemd näher als der Rock.

Hatte die Bremer Stimmabgabe für das Ergebnis eine Bedeutung?

Es ging immer um Brandenburg und nie um Bremen. Brandenburg hat vier Stimmen, Bremen nur drei. Und an der positiven Mehrheit von 35 Stimmen fehlten zuletzt vier. Politisch wäre es natürlich ein gutes Zeichen gewesen, wenn Bremen zugestimmt hätte, weil ja eigentlich der Konsens in der Sache ganz groß gewesen ist, bis das Wahlkampfgetöse anfing. Peter Müller aus dem Saarland hat eine unglaubliche Rede gehalten. Ich habe oft mit ihm geredet, in den letzten Monaten, er hat eine liberale Position zu dem Thema gehabt. Und gestern hat er im Bundesrat eine CSU-Rede gehalten.

Was passiert denn nun?

Jetzt gibt es noch ein wenig Tam-Tam. Nach der jetzigen Prüfung der Rechtslage gehen wir aber davon aus, dass die Rechtslage eindeutig ist.

Hat Stolpe auch finanzielle Zusagen bekommen von der Bundesregierung?

Nicht, dass ich wüsste.

Und? Große Erleichterung?

Ich bin erleichtert, auch wenn es einen Schönheitsflecken gibt. Man darf das aber gleichzeitig nicht überbewerten. Trommeln gehört zum Geschäft.

Platzt denn nun die Koalition zwischen SPD und CDU in Brandenburg?

Offensichtlich ist dieses Verfahren zwischen Stolpe und Schönbohm so abgeklärt worden. Schönbohm durfte zu Edmund Stoiber stehen, will aber doch mit Stolpe zusammen an der Macht bleiben. Die beiden alten Männer hatten das Drehbuch für die Veranstaltung hier gut ausgeklügelt. Fragen: K.W.