Datenschützer Holst rüffelt Böse

■ Jahresbericht vorgelegt: Das BKA untersucht Daten von 600 Bremer Muslimen / Holst kritisiert Rasterfahndung in Bremen / „Richtig entsetzt“ über Datenschutz beim Mammografie-Screening

Die Bremer Regelung zur Rasterfahndung ist erneut vom Datenschutzbeauftragten Sven Holst kritisiert worden. Obwohl das seit Ende Oktober in Bremen gültige Gesetz eine „unverzügliche“ Unterrichtung des Datenschutzbeauftragten vorsieht, wurde Holst bei der Mehrzahl der Rasteranordnungen von Innensenator Kuno Böse (CDU) erst nach rund acht Tagen, in einem Fall erst nach 18 Tagen informiert. Holst schreibt dazu verschnupft in seinem gestern vorgelegten Datenschutzbericht 2001: „Also in allen Fällen zu spät.“ Stattdessen hätte er erwartet, „dass, nachdem der Innensenator eine solche Maßnahme gebilligt hat, ich noch am selben Tag darüber unterrichtet werde!“ Nur so sei gewährleistet, dass der Datenschützer rechtzeitig in das Verfahren eingreifen könne. Holst rüffelt Böse: „In der verspäteten Unterrichtung sehe ich einen nicht unerheblichen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen.“ Beanstandet habe er das Verfahren nur nicht, weil die Polizei die Daten zum Zeitpunkt der Weitergabe noch nicht verarbeitet hatte.

Der Datenschutzbericht enthält auch erstmals genaue Auskunft über das Ausmaß der Bremer Rasterfahndung, mit der terroristische „Schläfer“ entdeckt werden sollen: Seit Beginn der Fahndung Anfang November sind 100.000 Datensätze an das Bremer Landeskriminalamt gesandt worden. Die Bremer Ausländerbehörden, das Ausländerzentralregister in Köln, die Bremer Hochschulen, die Uni sowie die IUB sowie die Handelskammern haben so seit Anfang November Daten von männlichen Personen aus insgesamt 26 arabischen Ländern, die zwischen 18 und 40 Jahren alt sind, „vorgerastert“. Aus dieser Datenmenge filterten die Bremer Rasterfahnder 589 Dateien heraus, die vor knapp zwei Monaten an das Bundeskriminalamt in Wiesbaden geschickt wurden, um dort in der sogenannten Datei „Terroranschlag USA“ zu landen.

Trotz des Namens: Holst betonte, „das sind erst mal nur Prüffälle.“ Deutschlandweit untersucht das BKA derzeit 22.900 solcher Dateien. Demnächst sollen „Treffer“, also als „verdächtig“ eingestufte Personen, an die Landeskriminal-ämter zurückgeschickt werden. Erst dann will Holst sich erneut zum Verfahren äußern.

Sein Datenschutzbericht enthält insgesamt rund 100 Anmerkungen zu Datenschutzproblemen in Bremen. Viele Bereiche von Elektronischer Post über Datenschutz in der Arbeitswelt bis hin zu Sicherheit in Bremer Schülercomputern werden berührt. „Richtig entsetzt“ ist Holst über die „schwerwiegenden Mängel bei der Verarbeitung der äußerst sensiblen personenbezogenen Daten beim Bremer Mammographie-Screening“.

Die eigens für das Brustkrebs-Projekt erstellte Datenverarbeitung sei zunächst nicht benutzt worden. Stattdessen arbeiteten die Mammografie-Screener mit Excel-Tabellen, auf die „jedermann Zugriff hatte.“ Holst: „Ich kann nur sagen, es war ziemlich desaströs.“ So hatte die Einladungsstelle des Projekts eine Statistik für eingehende Anrufe eingerichtet, auf der unter anderem medizinische Daten einzutragen gewesen waren. In dieser Datei hätten Interessierte Angaben wie zum Beispiel „Absage wegen Brustkrebs“ recherieren können.

Eigentlich dürfen Daten der Nicht-Teilnehmerinnen aber laut Gesetz nicht personenbezogen gespeichert werden. Hintergrund: Krankenkassen sollen nicht herausfinden können, dass betroffene Frauen sich der Vorsorge verweigert haben. Damit soll ihnen keine Handhabe gegeben werden, im Krankheitsfall mit Hinweis auf fehlende Untersuchungen vielleicht Zahlungen zu verweigern – analog zu den Bonusheftchen für den regelmäßigen Vorsorge-Gang zum Zahnarzt.

„Noch gäbe die Gesetzeslage Leistungskürzungen für die Mammografie nicht her“, erklärt zwar die Landesfrauenbeauftragte Ulrike Hauffe, die auch im Beirat des Projektes sitzt. „Dennoch haben wir darauf gedrungen, dass es nicht nachweisbar ist, wer zur Mammografie geht.“ Nachdem Datenschützer Holst die Datenverarbeitung bei der zuständigen Frauensenatorin gerügt hat, wurden die Missstände abgebaut: „Frau Adolf war empört.“ Sie habe prompt reagiert und die Projektleitung angewiesen, das Datenschutzkonzept umzusetzen.

Kai Schöneberg