Gas geben ohne Benzin oder Diesel

Sparsam, sicher, sauber: Das sind die Attribute des Erdgasantriebs. Nachdem die Anbieter ihre Hausaufgaben erledigt haben, kann die Technologie auch in großen Stückzahlen auf die Straße gebracht werden. Damit schließt sich ein Kreis: Schon der Maschinenbauer Nikolaus Otto bosselte am Gasmotor

von TILMAN VON ROHDEN

Im Automobilbau schließen sich die Kreise. Als der gleichnamige Maschinenbauer und Unternehmer in den 1870er-Jahren den Ottomotor entwickelte, legte er diesen als Gasmotor aus. Da Otto jedoch nicht mit dem Transport, der Lagerung und dem Umfüllen von Gas zu Rande kam, bosselte er weiter und erfand die elektrische Zündung. Damit konnten die Motoren Benzin verbrennen. Jetzt, nach über 100 Jahren, kehrt das Erdgasauto zurück.

Der Siegeszug von Diesel und Benzin als Kraftstoff war technisch bedingt, ökologisch aber kaum legitimiert, denn im Vergleich zu Gas haben sie deutliche Nachteile. Im Vergleich zum Dieselmotor stoßen erdgasbetriebene Fahrzeuge rund 50 Prozent weniger Kohlenmonoxid sowie 80 Prozent weniger Stickstoffoxide aus, Rußpartikel gibt es praktisch nicht. Die Bilanz gegenüber Benzinern: 25 Prozent weniger Kohlendioxid, eine 75-prozentige Reduktion von Kohlenmonoxid.

Dennoch hatten Gasfahrzeuge bisher einen schweren Stand. Das lag nicht zuletzt daran, dass über Jahre die Frage nach Henne und Ei mit Lust rauf und runter dekliniert wurde: Müssen zuerst viele Gasverbrenner durch die Gegend rollen oder ungezählte Gaszapfstationen das Land mobilisieren? Ein klassisches Schwarzer-Peter-Spiel.

Zudem scheiterten in der Vergangenheit Versuche, Fahrzeuge mit Propan- oder Butangasflaschen auszustatten, weil der Kofferraum von den Konsumenten zum heiligen Tempel erklärt wurde. Dass dieser Glaube Berge versetzt, zeigt sich daran, dass die Autoindustrie ein Einsehen hatte und sich auf Druckgas (Erdgas) verlegte. Im Zuge dessen wanderte der Gastank in den Unterflur.

Alle Beteiligten ziehen an einem Strang: Die Mineralölwirtschaft legte zusehends die Angst ab, den Kraftstoffkuchen mit den Gasversorgern teilen zu müssen. Die lange zögerliche Autoindustrie setzt endlich auch auf die Zukunft von Erdgas statt immer nur die Gegenwart in Form immer kapriziöserer technischer Raffinessen für Benziner und Selbstzünder zu veredeln. Die Gaswirtschaft wärmt sich am Gedanken, mit Gas als Kraftstoff ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. Schließlich leistet sich die Politik den Griff in die fast geleerten Kassen, um der Entwicklung des Marktes auf die Beine zu helfen. Kurz und bündig: Die wesentlichen Voraussetzungen sind geschaffen, um erdgasbetriebenen Fahrzeugen zum breiten Durchbruch zu verhelfen.

Die Gewinner sind Umwelt und Autofahrer. Sie haben mit den bundesweit rund 250 Tankstellen ein Versorgungsnetz, das diesen Namen verdient. Allein in Berlin, das mit anderen Großstädten zur Spitzengruppe zählt, warten 10 Tankstellen mit Gasversorgung, binnen weniger Wochen will die Gasag auf 12 erhöhen. Bundesweit kommt pro Woche eine neue Erdgaszapfstation hinzu. Erdgasbetriebene Fahrzeuge haben ihre Kinderkrankheiten endgültig überwunden. Unter der Haube arbeitet ein geringfügig modifizierter Ottomotor, dem in aller Regel zwei Spritsorten zuarbeiten: normalerweise Erdgas, bei Bedarf Benzin. Die Sicherheitsbedenken, die es früher bei flüssigem Propangas teilweise gab, sind ausgeräumt. Im Gegenteil: Benzin ist weitaus explosiver als Erdga, und selbst bei einer Leckage des unter hohem Druck stehenden Erdgastanks besteht nach Ansicht von Sicherheitsexperten kein Risiko.

Mit dem Aufbau einer funktionierenden Infrastruktur für Erdgasfahrzeuge wird gleichzeitig der ferneren Zukunft der Weg bereitet. Denn der technische Horizont ist auf wasserstoffbetriebene Autos geeicht. Doch bis die Brennstoffzellentechnik wirklich so weit ist, wird noch viel Schweiß auf die Pläne der Entwickler tröpfeln. Ohne Erdgas geht’s jedenfalls nicht, denn der nötige Wasserstoff müsste zunächst durch das Aufspalten von Erdgas gewonnen werden.

Dagegen ist die Autoindustrie seit 2000 bereit, Erdgasfahrzeuge in Serie zu produzieren. Damit ist diese Technik, die einzige zurzeit wirklich verfügbare und massentaugliche Alternative zum Verbrennen von Benzin oder Diesel. Alles andere ist Vision.

Zukunft muss gemacht und nicht erwartet werden. Dies gilt für alle an der breiten Markteinführung von Erdgasfahrzeugen Beteiligten. Nachdem die Anbieter ihre Hausaufgaben erledigt haben, hat nun die Stunde für Otto Normalverbraucher geschlagen: Er hat nun die Wahl zwischen Benziner und „Erdgaser“. Dabei handelt es sich nicht nur um eine Frage der ökologischen Verantwortung, die ja in der Praxis häufig in den Hintergrund tritt. Nicht zuletzt der eigene Vorteil der Käufer ist ein Argument der Hersteller: Erdgas wird auf viele Jahre preiswerter sein als Benzin oder Diesel.

Rund 200 Berliner Automobilsten, so die Berliner Lobby namens „Informationsdrehscheibe“, praktizieren diese Erkenntnis. Bundesweit sind es 12.000 – bislang.