Der Spielraum für Wowereit

Die Rechtslage ist widersprüchlich. Aber die Union hat kaum Chancen vor dem Verfassungsgericht

BERLIN taz ■ Die SPD-Länder haben sich das Szenario gut überlegt. Auch beim bisher einzigen Präzedenzfall im Jahre 1949 stimmten zwei Landesminister – einer von der SPD und einer von der CDU – unterschiedlich ab. Daraufhin gab die Stimme des anwesenden nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Karl Arnold (CDU) den Ausschlag – was von den beiden Ministern akzeptiert wurde.

Das historische Vorbild heißt allerdings nicht automatisch, dass der gestrige Vorgang auch verfassungskonform abgelaufen ist. „Die Stimmen eines Landes (im Bundesrat) können nur einheitlich abgegeben werden“, sagt das Grundgesetz in Artikel 51 Absatz 3. Die CDU beruft sich nun darauf, dass hier die Stimmen nicht einheitlich abgegeben worden seien. Dementsprechend wären die Brandenburger Voten ungültig gewesen und das Einwanderungsgesetz ohne Mehrheit.

Die SPD sieht jedoch eine einheitliche Stimmabgabe darin, dass Ministerpräsident Stolpe „für das Land Brandenburg“ seine Zustimmung signalisiert habe. Damit habe er die vorhergehende Uneinheitlichkeit zwischen Arbeitsminister Alwin Ziel (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) beseitigt. Bei einer Nachfrage habe auch Innenminister Schönbohm nicht mehr widersprochen. Dies bestreitet die CDU nicht. Sie ist jedoch der Auffassung, dass eine erneute Nachfrage an Stolpe „unzulässig“ gewesen sei.

Verfassungsrechtlich sind sicher beide Positionen vertretbar. Einerseits war die Haltung der brandenburgischen Vertreter offensichlich „uneinheitlich“, auch wenn Jörg Schönbohm am Ende resignierte. Andererseits gibt es auch Argumente, Stolpes Stimmabgabe als maßgeblich anzusehen. Immerhin heißt es in Artikel 89 der Brandenburger Landesverfassung: „Der Ministerpräsident bestimmt die Richtlinien der Regierungspolitik.“

Wird Bundespräsident Rau das Gesetz unterschreiben und dann auf Antrag der Union das Bundesverfassungsgericht am Zug sein, wird es wohl kaum das festgestellte Abstimmungsergebniss für verfassungswidrig erklären. Da beide Positionen juristisch vertretbar sind, liegt es nahe, dem Bundesratspräsidenten Klaus Wowereit hier einen Einschätzungsspielraum zuzubilligen.

Und selbst wenn einige Verfassungsrichter hier einen Verfassungsbruch sähen, müsste die Union immerhin fünf von acht Richtern von ihrer Ansicht überzeugen. Denn bei einem Patt wäre der Antrag der Union jedenfalls abgelehnt. CHRISTIAN RATH