zuwanderungsgesetz
: Die CDU hat sich nicht verändert

Ist Deutschland nun ein Einwanderungsland? Die gestrige Debatte um das Zuwanderungsgesetz im Bundesrat vermittelte nicht den Eindruck, wir seien Zeuge einer Zäsur oder gar eines bedeutsamen historischen Ereignisses geworden. Dabei hätte dieser 22. März 2002 ein großer Tag werden können. Ein Tag, an dem die Republik endgültig ihre pathologische Lebenslüge abstreift, sie sei kein Einwanderungsland.

 Knapp fünfzig Jahre nach Inkrafttreten des ersten Anwerbeabkommens mit Italien und nach dem Zuzug von mehr als 30 Millionen Menschen, von denen 9 Millionen im Land blieben, wäre dies zu wünschen gewesen. Denn schließlich hat diese deutsche Lebenslüge bereits genug Unheil angerichtet – durch das Fehlen einer angemessenen Integrations-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Auch hätten die Einwanderer, die das Antlitz der Städte und der Schulen verändert haben und die Zukunft des Landes noch stärker als bisher mitbestimmen werden, eine intelligente Debatte voller Gestaltungswillen und Zuversicht verdient. Dazu ist es nicht gekommen.

 Statt einer Sternstunde der Demokratie präsentierte der Bundesrat indes schwer verdauliche deutsche Hausmannskost, vorgetragen von ausländerpolitischen Hardlinern wie dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch. Er und die anderen Ministerpräsidenten der CDU präsentierten sich als brave Soldaten, die der Parteiräson und weniger ihrem Verstand verpflichtet waren. Selbst Peter Müller, vor kurzem noch aufgeklärter migrationspolitischer Vordenker der Union, gesellte sich zum Scharfmacher Roland Koch.

 Die Wandlung des Peter Müller räumte jeden Zweifel aus: Die Union hat sich nicht verändert. Wie in der Vergangenheit wird sie auch bei diesem Wahlkampf auf das mobilisierende Hetzthema Ausländer setzen, wenn es die Chancen Edmund Stoibers erhöht, das Kanzleramt zu stürmen.

 In den vergangenen Wochen ist es Unternehmerverbänden, Gewerkschaften und Kirchen nicht gelungen, der Union klar zu machen, dass sie mit ihrer Blockadehaltung Politstrategien der Vergangenheit verfolgt. Bleibt zu hoffen, dass sowohl Bundespräsident Rau als auch das Bundesverfassungsgericht beitragen, diesen 22. März 2002 doch noch zu einer Zäsur zu machen. EBERHARD SEIDEL