Tatort goes Fußball

■ Radio Bremen darf die 500. Tatort-Folge ausstrahlen und will alles besser machen. Die Devise lautet: keine Schießereien, sondern authentische Milieustudien

Tatort gucken irgendwie alle. Der 50-jährige Finanzbeamte ebenso wie die Verkäuferin Mitte 30, der Deutschlehrer ebenso wie seine pubertierenden Schüler. Mit Fußball ist es ungefähr genauso. Mann (manchmal auch Frau) verfolgt die Bundesliga, und jeder halbwüchsige Dreikäsehoch hat schon mal in irgendeiner miesen Mannschaft gekickt. Freudige Konsequenz aus diesen beiden Grundeinsichten: Drehe einen „Tatort“ im Fußballmilieu, und die Einschaltquoten müssten in die Höhe schießen.

So haben sich das offenbar Radio Bremen und die ARD gedacht und den gerade mühsam rehabilitierten Bremer Tatort in eine massentaugliche Umgebung verfrachtet: Ins Stadion des – natürlich fiktiven – F.C. Bremen. Zu allem Überfluss wird die Folge mit dem Titel „Endspiel“ nicht nur zehn Tage vor dem Eröffnungsspiel der Fußball-WM in Südkorea, sondern auch als jubiläumstaugliche 500. Tatort-Folge ausgestrahlt. Da klingt es fast ein wenig kokett, wenn Hauptdarsteller Oliver Mommsen – seit zwei Folgen als Co-Kommissar Stedefreund zu erleben – den Film anlässlich der internen Voraufführung als „Experiment“ bezeichnet und darauf hofft, dass das „ran“-verwöhnte Fernsehpublikum die ungewohnte (und billigere) Filmtechnik während der Fußball-Sequenzen verzeiht. Doch auch der argentinische Regisseur Ciro Cappellari besteht auf dem Experiment-Gedanken. „Ich habe mich entschieden, einen Tatort zu machen, in dem es weniger um Schießereien und mehr um Emotionen geht“, betont er. „Wichtig sind mir die Menschen und das Milieu, zu dem sie gehören.“

Dass die Ermittler dabei in den Hintergrund geraten, ist ungewöhnlich für Deutschlands liebste „Such-den-Mörder-Serie“ und durchaus vorteilhaft für deren Bremer Variante. Während andere Krimis wegen der schrulligen, spritzigen oder sympathischen Ermittlerduos eingeschaltet werden, besticht Hauptkommissarin Inga Lürssen in „Endspiel“ höchstens durch melancholische Blicke in Großaufnahme. Diesmal also viele Drehtage auf grünem Rasen und wenige im Polizeipräsidium – und auch skandalträchtige Bemerkungen über die Sprungbrettqualitäten Bremerhavens werden wohl ausbleiben.

„Mir war nicht bewusst, dass man mit einem Satz so viel anrichten kann“, wundert sich Oliver Mommsen, der gleich in seinem ersten Tatort gewaltig ins Fettnäpfchen stampfte, als er die Bremerhavener Polizei als berufliches „Abstellgleis“ brandmarkte. Apropos Abstellgleis. Als solches ließe sich problemlos auch der F.C. Bremen bezeichnen. Der Viert-Liga-Verein ist von außen ungefähr genauso „pfui“ wie von innen: Zusätzlich zum Trainer-Mord stoßen die Bremer Kommissare auf Korruption und illegale Verträge, Rassismus und falsche Freundschaften. „In der Bundesliga werden Tiefschläger und Seitenhiebe noch elegant ausgeteilt, hier aber kommt die böse Fratze zum Vorschein“, beschreibt Mommsen und hofft auf den „enormen Sog“, der davon ausgehen wird – auch wenn er selbst mit Fußball eigentlich nichts am Hut hat. „Ich stand früher höchstens im Tor, da musste man sich nicht vorne die Beine brechen lassen oder Leistung zeigen.“ Ganz anders der fußballbegeisterte Regisseur Cappellari, für den „Endspiel“ nicht nur ein spannendes, sondern auch ein realistisches Thema behandelt, das er in bester Tatort-Tradition sieht. „Der Tatort ist weltweit einer der wenigen Krimis, der sich mit aktuellen Inhalten beschäftigt.“ Er selbst hat für sein aktuelles Thema eine Menge Aufwand betrieben: Nach langwierigen Castings wurde nach dem dunkelhäutigen Hauptdarsteller gesucht, später mussten die Macher von Radio Bremen zwecks Hintergrundkulisse rund 2000 Komparsen ins Verdener Stadion locken.

Bodil Elstner