Aschfahl oder rosig?

Nach dem 1:1 in Rostock macht sich der HSV Mut. Und Hansa Sorgen um die Gesichtsfarbe des Trainers

ROSTOCK taz ■ 19 Jahre hatte Daniel Klewer auf diesen Moment gewartet. Nun kostete er ihn nun in vollen Zügen aus. Als Letzter kam er aus der Kabine, eine Stunde nach Abpfiff. Die Mundwinkel zu einem Gewinnerlächeln gezogen, empfing er den Journalistenschwarm. Sein Traum hatte sich erfüllt: das erste Bundesligaspiel im Ostseestadion für Daniel Klewer, der seit seinem sechsten Lebensjahr Torwart bei Hansa Rostock ist. Die letzten sechs Jahre war er stets nur die Nummer drei. Ein Kader-Zwischending, der bei den Profis trainierte, bei den Amateuren spielte und nirgendwo so richtig dazugehörte.

Nun riefen 20.000 Fans seinen Namen, als er den Rasen betrat. „Das ging unter die Haut“, sagte er. Bisher hatte keiner von ihm etwas wissen wollen. Heute warteten alle nur auf ihn. „Was sagen Sie dazu, als schönster Torwart der Liga zu gelten?“, fragte der „ran“-Reporter den Torhüter, der gerade dabei war, den „schönsten Moment seines Lebens“ zu verarbeiten. „Gar nichts“, antwortete Klewer und der Reporter lachte, schlug seinem Kameramann auf die Schulter und feixte noch minutenlang, als hätte er etwas Lustiges gefragt. Die Medienmeute schaukelte sich derweil weiter am neuen Shooting-Star hoch und konfrontierte Hansas dritten Torwart bereits mit dem Thema Nationalmannschaft. Und nicht nur die Presse übertrieb etwas. So hatte HSV-Trainer Kurt Jara sein Team beim 1:1-Unentschieden „über 85 Minuten als die bessere und spielbestimmende Elf gesehen“. Auch Präsident Werner Hackmann war sich sicher: „Eine Mannschaft wie Rostock hätten wir eigentlich schlagen müssen.“ Jörg Albertz erkannte zudem „eine Steigerung zum Hertha-Spiel“. Dies dürfte nach einem 0:6 auch nicht sonderlich schwer gefallen sein.

Der Traditionsverein legte im Ostseestadion, genau wie Rostock, vor allem die eigenen Schwächen offen. Zu hoher Fußballkunst ist der Norden derzeit nicht berufen. Hier schaut man nach unten, wo es Mannschaften gibt, die noch schlechter sind. Hoch sind allein die Ansprüche. Die HSV-Verantwortlichen redeten zu Saisonbeginn von Platz 5. In Rostock sprach man schon vom Uefa-Cup und wollte obendrein noch schön Fußball spielen. Die Realität ist jedoch recht farblos.

Wieder Farbe im Gesicht hatte erfreulicherweise Rostocks Trainer Armin Veh. Die Bild-Zeitung zitierte in der vergangenen Woche zwei wohl nur bedingt seriöse Fans, die Veh „aschfahl und den Tränen nahe“ gesehen haben wollen, als seine Wunschformation in einem Trainingsspiel gegen die „Aussortierten“ verlor. Das dies „Blödsinn“ sei, teilte Veh den verantwortlichen und anwesenden Schreibern nach dem Spiel noch einmal persönlich mit.

Gegen den HSV blieben seine Augen jedenfalls trocken. Hansa kämpfte gegen Hamburg und eigene Unzulänglichkeiten. Da in beiden Teams die Mittelfeldspieler nicht in Erscheinung traten, wunderte man sich hüben wie drüben über viel Raum in der Vorwärtsbewegung. Diesen zu nutzen, verstand aber keiner. Ingo Hertzsch brachte dies augenscheinlich so durcheinander, dass er in der Rostocker Hälfte sogar seinem Mitspieler Barbarez nach dem Ball trachtete. Das Ergebnis: symptomatische Uneinigkeit.

Gefährlich wurde der HSV nur, wenn es den beiden Spitzen Romeo und Barbarez gelang, im Duett zu wirken. Während ein Jörg Albertz auch nach einer vertrauensbildenden Unterredung mit Kurt Jara blass blieb, schoben sich die HSV-Stürmer den Ball gelegentlich gefällig zu und erarbeiteten so die Chancen für die Hamburger im Alleingang. Entweder verfehlten sie dann aber das Tor und wenn nicht, dann stand da eben Daniel Klewer. Der strahlte über die gesamte Partie vollkommende Sicherheit aus und beendete so das Gerede über ein Rostocker Torwartproblem.

Auf den HSV wartet nun ein imposantes Restprogramm. Die ersten Vier der Liga sind noch im AOL-Kolosseum zu Gast. Werner Hackmann will dann „den Fans schon die Dauerkarten für die nächste Saison schmackhaft machen“. Vielleicht ist es ja verkaufsfördernd, auch gleich die Champions-League als Ziel für die neue Saison auszugeben.

DIRK BÖTTCHER