PDS setzt auf alten Drachen

Die ehemalige HR-Fernsehchefin Luc Jochimsen tritt für hessische Sozialisten zur Bundestagswahl an. Bundesvorsitzende Gabi Zimmer sieht „eine Art Kultursprung“

FRANKFURT taz ■ Sie trug den einzigen feinen Nadelstreifenanzug im ganzen Saal: Luc Jochimsen (66) erkämpfte sich am Samstag in der Internationalen Jugendherberge am Frankfurter Mainufer souverän den ersten Platz auf der Bundesliste der hessischen Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Mit 31 zu 19 Stimmen siegte sie über die Bundestagsabgeordnete Pia Maier (31), die sich mit Platz 2 begnügte.

Maier hatte vergeblich versucht, ihren Anspruch geltend zu machen – mit einer sehr braven Kampfrede. Die Nachrückerin, die seit August 2000 für den verstorbenen Fred Gebhardt im Bundestag sitzt, verwies auf ihre Sachkompetenz und argumentierte, dass sie bereits „amtierende“ Abgeordnete sei und das auch in Zukunft bleiben wolle: „Das gehört sich so!“

Die Bundesparteivorsitzende Gabi Zimmer, zur Unterstützung von Jochimsen aus Berlin angereist, widersprach: Für niemand könne es ein Recht auf Wiederwahl in den Bundestag geben. Zimmer mahnte die Delegierten zu einer Vernunftsentscheidung. Der Wahlkampf werde schwer werden, die PDS sei auf jede Stimme angewiesen: „Wir bekommen keinen roten Teppich ausgerollt.“ Die Delegierten mögen, forderte sie, die Gesamtpartei mit dem „Doppelpack“ Jochimsen in Hessen und Florian Havemann in Sachsen unterstützen. Die Wahl von Jochimsen sei „eine Art Kultursprung“, der dem „nachwirkenden Antikommunismus“ im Westen „Lebenslust und Lebensfreude“ entgegensetzen solle. Es werde aber – sagte sie mit Blick auf Maier – keine „in ein Loch fallen gelassen“. Die PDS wolle auch künftig an offenen Listen festhalten.

PDS in Nadelstreifen

Jochimsen, Exchefredakteurin der Sparte Fernsehen des Hessischen Rundfunks, legte sich auf Friedenspolitik und Einsatz für eine weltweit soziale Gerechtigkeit fest. Außerdem wolle sie das Verständnis der Menschen in den neuen und den alten Bundesländern füreinander fördern. Im Westen herrsche Unwissen, Unverständnis und oft eine regelrechte „Phobie“ gegenüber der „Ostpartei“. Sie wolle von SPD und Grünen enttäuschte Wähler gewinnen, auch „Gutverdienende mit sozialem Gewissen“. Das fand nicht bei allen Delegierten Beifall. Sie sei ihm, hatte einer zuvor gesagt, von einem Anrufer als „alter Drachen“ avisiert worden.

Jochimsen wertete auf Nachfragen der Abgeordneten ihr Bekenntnis zum „Law and Order“-Staat in einem Interview als Missverständnis ab. Sie bekenne sich nach angloamerikanischen Vorbild zu „Recht und Gesetz“, wenn diese die Schwachen vor den Stärkeren verteidigten. Auch eine linke Partei komme nicht um die Verpflichtung herum, „die Bürger zu schützen“. Dass sie zu alt sei, um junge Themen wie Medienpolitik zu besetzen, wies die Medienfachfrau zurück. Gerade sie sei Garantin dafür, dass die West-PDS mit ihren „ein bis zwei Prozent“ Wählerstimmen an Popularität gewinne, statt weiter ignoriert zu werden: „Mit meiner Person können die das nicht mehr so einfach machen.“

Schützenhilfe hatte die einstige Moderatorin der Talkshow „3-2-1“ nicht nur von ihren Kollegen und Mitstreiter Holger Weinert bekommen, sondern von dem Welt-Kolumnisten Hugo Müller-Vogg. Das Auftauchen des rechten Gastes im Saal hatte die linke Versammlung heftig irritiert. Ob das, fragte einer, die von Jochimsen angekündigte „Offenheit nach allen Seiten“ sei?

Jochimsen kommentierte ihre Wahl am Ende: „Der alte Drachen hat’s gemacht!“ und machte sich sofort medienwirksam auf den Weg, um ihrer unterlegenen Konkurrentin zu versichern, dass sie mit ihr kooperativ zusammenarbeiten wolle: „Wir können uns beide gegenseitig gar nicht verletzen.“ Sie habe, erklärte sie anschließend, ihre Kandidatur nicht als „Hennenkampf“ verstanden, sondern als eine „kostbare politische Möglichkeit“: „Niemand schickt Pia Maier jetzt weg.“ HEIDE PLATEN

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