DIE AUSLÄNDERPOLITIK DER CDU/CSU ERMUNTERT DIE RECHTEN SCHLÄGER
: Stoiber im Wiederholungszwang

Edmund Stoiber will keinen Ausländerwahlkampf, viel mehr möchte er Gerhard Schröder in den Bereichen der Wirtschafts- und der Arbeitsmarktpolitik herausfordern. So etwa lautet eine These, die von politischen Beobachtern vorgetragen wird, die in Stoiber richtigerweise keine Reinkarnation vonFranz Josef Strauß sehen wollen. Das mag so sein, ändert aber nichts daran, dass das parlamentarische Trauerspiel um das Einwanderungsgesetz schon bald seine Opfer auf der Straße finden wird. Denn seit zwanzig Jahren haben polarisierende Debatten der politischen Eliten zum Thema Ausländer dazu geführt, dass sich rassistische (Tot-)Schläger ermuntert fühlten. Sollte das ausgerechnet im Wahljahr und ausgerechnet im Streit um das Einwanderungsgesetz anders sein – es käme einem Wunder gleich.

Zugegeben, diese Mahnung klingt moralisch, somit altbacken und durchtränkt vom Geist der guten Menschen. Glänzen kann man damit in einem Jahr der Bundestagswahl weder auf der politischen noch auf der publizistischen Bühne. Und so sind auch vier Tage nach der Abstimmung im Bundesrat noch alle elektrisiert von so viel Inszenierung, so viel Taktik, so viel rüpelhaftem Verhalten. Nicht die Gefahr für die Minderheiten steht im Zentrum der Diskussion, sondern: Wie wird sich Johannes Rau entscheiden? Was bedeutet das alles für die Bundestagswahl? Für die Spitzenkandidaten Edmund Stoiber und Gerhard Schröder? Für das politische System der Republik? Gewichtige Fragen also, die in den politischen Feuilletons für Donnerhall sorgen werden.

Doch bei dem ganzen Theater geht es auch um Ausländer, um wirklich existierende Menschen. Daran zu erinnern, bleibt Politikern vorbehalten, die nichts mehr zu verlieren haben. Politikern wie Hans-Jochen Vogel von der SPD oder Rita Süssmuth von der CDU sind es, die vor den Gefahren eines Ausländerwahlkampfs warnen. Sie können sich noch an die fatalen Konsequenzen des Wendewahlkampfes im Jahr 1983 erinnern. Wie Edmund Stoiber heute wollte auch Helmut Kohl damals keinen dezidierten Ausländerwahlkampf führen. Er wollte lediglich versprechen, den Zuzug von Ausländern zu begrenzen, damit Deutsche auf dem Arbeitsmarkt bevorzugt eingestellt werden. Es war der Auftakt für völkisch durchwirkte Debatten der Eliten und einer Welle rassistischer Gewalt. Profitiert davon hat die Union und die radikale Rechte, verloren haben die Migranten und die demokratische Substanz der Republik. Es deutet im Moment wenig darauf hin, dass sich Geschichte nicht doch wiederholt. EBERHARD SEIDEL