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: Klischee ohne Verfallsdatum

Am Ende von Spike Lees Spielfilms „Bamboozled“ sieht man sie noch einmal: die Gespenster einer Unterhaltungsindustrie, die rassistisch eingefärbt ist, seit es sie gibt. Butler, Trottel, dudelnde Musiker, Big Mamas und Dienstmädchen treten auf, mit dicken Lippen und rollenden Augen, die Physiognomie dem Affen so weit angeglichen wie möglich. Wer als Afroamerikaner etwas werden wollte auf der Bühne, im Film oder im Fernsehen, dem war nur eine Rolle vergönnt: das hässliche Klischee seiner selbst zu verkörpern. Zum Beispiel in der „Minstrel Show“, für die die Gesichter mit verrußtem Kork nachgeschwärzt wurden.

Kommentarvon CRISTINA NORD

Nun haben – erstmals in der Geschichte der Oscar-Verleihung – zwei afroamerikanische Schauspieler die Auszeichnung für die Leistung als bester Hauptdarsteller erhalten: Denzel Washington für seine Rolle in „Training Day“, Halle Berry für ihre Rolle in „Monster’s Ball“. Ein weiterer Oscar geht an Sidney Poitier, dessen Lebenswerk gewürdigt wird.

Das ist zweifellos ein historischer Augenblick. Aber zugleich hebt er den Vorhang für ein Trauerspiel: Kann es wirklich sein, dass die Academy of Motion Pictures 74 Jahre brauchte, um afroamerikanische Filmschaffende in dieser Form zu ehren? Daran, dass es keine geeigneten Kandidaten gegeben hätte, kann es nicht gelegen haben. Eher schon daran, dass die Drehbuchautoren schwarze Figuren so stereotyp anlegen, dass sie zu küren für die Akademie nicht in Frage kommt. Die Bürde der schiefen Repräsentationen ragt also in die Gegenwart (deswegen ist „Bamboozled“ ein wütender und maßloser Film). Was früher offen diffamierend war, trägt heute neue Kleider: die des slicken Blaxploitation-Zitats, des Gangster-Rappers, der Foxy Lady, der Witzfigur. Perfide daran ist, dass die schiefe Repräsentation nicht notwendigerweise von außen kommt: Die Hauptfigur in „Bamboozled“, der Redakteur, der die „Minstrel-Show“ reanimiert, ist Afroamerikaner.

Um so erfreulicher ist, dass mit Halle Berry auch „Monster’s Ball“ ausgezeichnet wurde, ein Film, der die willkürliche Praxis der Todesstrafe bloßstellt und die tristen Verhältnisse im Süden der USA gleich dazu. Die Sträflingskolonnen, die Regisseur Marc Forster auf den Feldern arbeiten lässt, ziehen vorüber wie unheimliche Déjà-vus, genauso wie die Fantasien in den Köpfen der Weißen: Hier hat die Sklaverei nie aufgehört. Bis sich daran etwas ändert, wird ein Film wie „Bamboozled“ fünfmal den Oscar gewonnen haben.

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