Der Streit der Ströme

Das Land schreibt erstmals seine Stromversorgung aus. Dabei können sich die Grünen nicht mit Öko-Kriterien durchsetzen. Die CDU befürchtet, dass über den Lieferanten erst vor Gericht entschieden wird

von STEFAN ALBERTI

Die Finanzverwaltung des Senats wird morgen eine Ausschreibung ins Fax schieben und veröffentlichen lassen. Adressat: Energieversorger europaweit. Die können sich erstmals nach der Liberalisierung des Marktes darum bewerben, die vom Land genutzten Gebäude mit Strom zu versorgen. Dabei geht es um zehn Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Berlin und einen Auftrag von bislang 70 Millionen Euro jährlich. Die derzeitige Vereinbarung mit dem Exmonopolisten Bewag läuft Ende September nach fünf Jahren aus. Doch noch bevor die Angebotssuche raus ist, befürchten Grüne und CDU juristische Probleme. Sie halten, anders als die Finanzverwaltung, die Ausschreibung nicht für korrekt.

Die Grünen waren zuvor in drei Ausschüssen und im Parlament mit ihrer Forderung gescheitert, in der Ausschreibung Ökostrom festzuschreiben. Bewerben können sich jetzt auch reine Atomstromlieferanten. Preise für Ökostrom fragt das Land nur in so genannten Nebenangeboten ab. Bewerbungsschluss ist Mitte Mai, bis Anfang August will die Finanzverwaltung den Lieferanten auswählen.

Wäre es nach den Grünen gegangen, würde die Ausschreibung jetzt fordern, dass die Hälfte des Stroms aus der umweltschonenden Kraft-Wärme-Kopplung stammt. Derzeit beträgt dieser Anteil 40 Prozent. Vorerst fünf Prozent, dann jährlich zwei Prozentpunkte mehr sollten zudem aus regenerativen Energiequellen kommen – Wasser, Wind oder Sonnenenergie. Atomstrom sollte tabu sein. Vertreter der Regierungskoalition hielten den Grünen vor, dass eine Ausschreibung offener gehalten sein müsste.

Die umweltpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Felicitas Kubala, beruft sich hingegen auf eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Demnach ist eine Ausschreibung mit derartigen Vorgaben zulässig. Kubala hält vielmehr die jetzige Konstruktion mit Haupt- und Nebenangebot für unrechtmäßig. Die Finanzverwaltung wiederum verweist auf die „Verdingungsordnung für Leistungen“, die eine derartige Kombination zulässt. SPD-Umweltexperte Daniel Buchholz teilt nach eigenen Worten wie Umweltausschusschef Uwe Doering (PDS) zwar inhaltlich die Forderungen der Grünen, die auch im Koalitionsvertrag zwischen SPD und PDS stehen. Zu zwingenden Vorgaben aber mochte Buchholz die Ökokriterien schon aus wirtschaftlichen Gründen nicht machen. Nur mit einer offenen Ausschreibungen sei ein Preisvergleich und ein günstiger Vertrag möglich. Ein „egal, was es kostet“ dürfe es nicht geben, sagt Buchholz. „Auch wir Umweltpolitiker müssen diese Transparenz aushalten.“ Kubala mag den Ökoaussagen der Regierungsparteien nicht glauben: „SPD und PDS wollen sich von ihrem Koalitionsversprechen verabschieden, wissen aber noch nicht wie.“

Exmonopolist Bewag, für den das Land der größte Kunde ist, gibt sich für die europaweite Ausschreibung gelassen. „Wir sehen keine Probleme mit den Forderungen für das Nebenangebot“, sagt Pressesprecher Siegfried Knopf. Den Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung von bisher 40 auf 50 Prozent zu erhöhen, sei ohne Weiteres möglich. Strom aus regenerativen Energiequellen, den das Unternehmen selbst nicht erzeuge, soll sich unproblematisch hinzukaufen lassen. Knopf sah das Unternehmen zwar in freiem Wettbewerb. „Man muss aber auch bedenken, dass wir für das Steueraufkommen des Landes und als Auftraggeber für die Berliner Wirtschaft wichtig sind.“

Eine Landeseinrichtung hat die Bewag bereits verlassen: Die Verwaltung des Abgeordnetenhauses, das selbstständig agiert, handelte Ende der 90er unter Protest der Bewag einen Vertrag mit dem baden-württembergischen Energiversorger EnBW aus.

Offenbar soll das nicht die Regel werden. In den Parlamentsdiskussionen hatten laut Ausschusschef Doering viele die Bewag-Arbeitsplätze im Kopf. Der umweltpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Uwe Goetze, hält die Ausschreibung daher für stark auf den bisherigen Lieferanten zugeschnitten. Das sei juristisch problematisch: „Wenn die Bewag genommen wird, ist klar, dass das vor Gericht endet. Dann wird jeder Wettbewerber klagen, dass das von vorneherein so vorgesehen war.“