american pie
: Das Final Four im College-Basketball

Zum Verrücktwerden

Falls es irgendeiner nicht weiß und sich daher fragt, was das Verrückte an der „march madness“ ist, dem Endrundenturnier des US-amerikanischen College-Basketballs: Es fängt damit an, dass sich zehn Juroren des Universitätssport-Dachverbandes NCAA einige Tage einschließen wie die Kardinäle in Rom. Wenn sie herauskommen, geben sie bekannt, wer in die Endrunde darf und auf welchem Platz er da mutmaßlich landet. Verrückt ist auch, dass der selbst erklärte Amateursport die Amerikaner zwei Wochen lang mehr interessiert als die körperliche Verfassung von Michael Jordan.

Es geht da um Ruhm, es geht auch um die ökonomische Zukunft der Studenten und ihrer Schulen. Die einen wollen in die NBA, die anderen müssen neue Hallen abbezahlen, Sponsoren überzeugen usw. Hin und wieder wird aufgestöhnt, wenn sich ein studierender Sportler als Analphabet erwischen lässt. Aber Fakt ist: Der neueste Fernsehvertrag der NCAA mit CBS läuft bis 2012 und ist mit 6 Milliarden Dollar dotiert. Was viele Leute an der Sache aber wirklich verrückt macht, ist, dass nicht alle Teams in die Final Four gelangen, die es von Rechts wegen müssten. Also fast alle. Nehmen wir Kansas. Die Jayhawks haben es nach Atlanta geschafft, wo sie am Samstag im Halbfinale der Final Four auf Maryland treffen. Das war Pflicht, nachdem das Team eine perfekte Saison in der „Big 12“ gespielt hat, ihrer Liga im Mittleren Westen (29:2 Siege). Also wurden sie in ihrem Viertel des landesweiten Turniers an Nummer eins gesetzt. Genau das ist aber eine Sensation. Roy Williams (51) ist seit 13 Jahren Trainer in Kansas und hat in dieser Zeit 388 Siege geschafft. Trotzdem ist er bis heute ein Verlierer. Es lief fast immer gleich: Williams baut im Herbst ein Team auf aus richtig talentierten Spielern. Kansas spielt in seiner Liga eine starke Saison. Die Juroren setzen Kansas auf Eins. Das Team scheidet aus.

In Kansas regen sich alle furchtbar auf, weil Kansas doch hätte gewinnen müssen. Je öfter es passierte, desto mehr beschworen die Medien das Phänomen. Worauf Kansas erst recht ausschied und sich die guten Leute immer mehr aufregten. Warum eigentlich? Kansas hat den nationalen Titel zuletzt 1988 gewonnen. Mit Williams war man 91 und 93 in den Final Four. Was lief danach so furchtbar schief? Nichts.

Es erinnert an die Zeiten der Oberligen im deutschen Fußball, als Teams in ihrer Region alles gewannen und in der Endrunde ausschieden. Weil andere besser waren oder in der Lage, ihr Niveau für die wichtigen Spiele anzuheben. Da die Final Four über vier regionale Gruppen erreicht werden, sind vier Teams an Eins gesetzt. Die Nächstplatzierten denken, dass sie eigentlich auch Nr. 1 sein müssten. So sind auch diesmal bestimmt 15 Teams zu Hause geblieben, von denen ihre Anhänger und Universitäten denken, dass sie eigentlich in den Final Four stehen müssten.

Nicht überall ist der Druck so groß wie in Kansas, wo man angeblich nie sicher sein kann, ob einer den Staat oder die Uni-Basketballer meint, wenn er „Kansas“ sagt. Es braucht keiner zu meinen, dass Kansas und Williams durch die Final-Four-Teilnahme Ruhe haben. Das reicht nicht. Gleiches gilt für ihren Samstagsgegner Maryland. Und Indiana? Es ist höchste Zeit, an die glorreiche Vergangenheit anzuschließen. Oklahoma? Dort sind sie eigentlich mehr an Football interessiert, aber zuletzt war man 1988 im Final Four-Finale und verlor. (Gegen Kansas!)

Irgendwann muss Schluss mit Verlieren sein. Wenn Kansas am Montag das Finale gewinnt, ist dann alles gut? Sind wenigstens in Kansas alle glücklich? Nein, unkte der San Francisco Chronicle. Dann werden die Leute sagen: „Warum hat denn das so lange gedauert?“ Es ist zum Verrücktwerden.

PETER UNFRIED