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Die Hormone sind schuld

Bei Heimspielen weisen Sportler eine erhöhte Testosteron-Konzentration auf. „Wie andere Tiere“ bewachen sie dann ihr Revier besser. Heute (20.45 Uhr) ist das im Rostocker Ostseestadion zu sehen

von FRANK FINKBEINER und MATTHIAS STOLZ

John Greenhough ist eigentlich Astrophysiker an der University of Warwick in England. So nebenbei hat er 135.000 Fußballspiele aus 16 Ländern untersucht und herausgefunden, was viele ahnten: Heimmannschaften sind erfolgreicher. Genaugenommen um durchschnittlich 0,51 Tore. Bernd Strauß, Sportpsychologe an der Universität Münster, hat schon vor zwei Jahren bewiesen, dass es am Klatschen nicht liegen kann. Applaus macht die Heimmannschaft eher nervös. Britische Wisenschaftler wiederum haben hingegen herausgefunden, das Heimstärke etwas mit Sex zu tun hat bzw. mit dem Sexualhormon Testosteron. Der Evolutionspsychologe Nick Neave von der Universität in Newcastle nahm Speichelproben von Fußballspielern und stellte dabei fest, dass die Testosteron-Konzentration vor Heimspielen deutlich höher war als vor Auswärtssspielen – und zwar um rund 30 Picogramm. Die vermehrte Ausschüttung führe unter anderem dazu, dass die Spieler ihr Territorium mit aller Kraft verteidigen wollten. „Wie andere Tiere, die ihr heimatliches Revier bewachen und beschützen, sind Fußballspieler energiegelandener, aktiver und selbstsicherer, wenn sie von auswertigen Gruppen bedroht werden“, so der Evolutionspsychologe. Die taz führt ein paar Beispiele auf, wozu das führen kann. Und lüftet noch ein paar weitere Heimspiel-Erfolgsgeheimnisse:

Fußballnationalmannschaft Bolivien

Wie lange zu Hause unbesiegt?

Bis zum 6. Oktober 2001 mehr als vier Jahre. Da verloren sie 1:5 gegen Ecuador. Aber solche Heimniederlagen scheinen einmalige Ereignisse zu sein. Mit der WM-Qualifikation hat es trotzdem nicht geklappt, denn auswärts gibt’s regelmäßig richtig auf die Mütze.

Was ist das Geheimnis der Heimstärke?

Bolivien spielt in der Hauptstadt La Paz, 3.600 Meter über dem Meeresspiegel. In dieser Höhe gibt es so wenig Sauerstoff, da bleibt den Gastmannschaften glatt die Luft weg. Nur die Luft? Nein, manchmal auch der Verstand. Jamaika verlor einmal 0:6: Die Männer aus der Karibik lachten dabei ihre Gegner grundlos aus, warfen sich wie Schauspieler auf den Rasen und schossen den Ball planlos in die Gegend.

Green Bay Packers (American Football)

Wie lange zu Hause unbesiegt?

Von 1992 bis 1998. Aber nur im Winter. Wieso Winter? Green Bay liegt in Wisconsin, wo es im Winter richtig kalt ist.

Und das ist das Geheimnis?

Die Südmannschaften kommen mit der Kälte nicht klar und verlieren. Am Silvestertag 1967 siegten die Packers im Meisterschaftsfinale gegen die verhassten Dallas Cowboys 21:17 – bei gefühlten minus 46 Grad Celsius.

THW Kiel (German Handball)

Wie lange zu Hause unbesiegt?

Von 22. November 1997 bis 13. April 2000, 36 Spiele, 71:1 Punkte. Wo spielen die Kieler? In der Ostseehalle. Sie ist die mit Abstand größte der Liga. Knapp 10.000 Plätze, immer ausverkauft, fast nur Dauerkarten.

Was ist das Geheimnis des THW?

Die Arena ist so riesig, dass die Schulturnhallen-Handballer aus Gummersbach und Willstätt schlottrige Knie kriegen. Und dann der stumpfe Parkettboden, der die Bälle langsam macht.

Schaaaalke (German Soccer)

Wie lange zu Hause unbesiegt?

Die ganze Saison 1971/72. 33:1 Punkte daheim, das ist Bundesliga-Rekord. Meister wurde trotzdem der FC Bayern München. Wer waren die Stars? Klaus Fischer, Stan Libuda, Aki Lütkebohmert. Wo spielten sie? Glückaufkampfbahn (35.000 Plätze, reines Fußballstadion, keine VIP-Lounge), bei manchen Spielen drängelten sich sogar 70.000 Menschen.

Was war das Geheimnis des FC Schalke?

Laut Klaus Fischer die beeindruckenden „Libuda“-Sprechchöre der Zuschauer. „Libuda“ war der erste Schlachtruf, der einem einzelnen Spieler galt. Außerdem kam Libuda sogar an Jesus vorbei.

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