Keine Klage gegen Kanther

Hessens CDU-Spendenaffäre bleibt ohne juristische Folgen. Das Wiesbadener Landgericht lehnt die Eröffnung eines Untreue-Prozesses gegen den ehemaligen Bundesinnenminister Kanther ab

BERLIN taz ■ Dreistigkeit zahlt sich aus – zumindest für Spitzenpolitiker. Seit Dienstag können der frühere Innenminister Manfred Kanther (CDU) und der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) stolz von sich behaupten: Es hat sich im Zusammenhang der hessischen CDU-Finanzaffäre gelohnt, die Öffentlichkeit zu täuschen und zu belügen. Denn gestern lehnte es das Landgericht Wiesbaden ab, einen Prozess gegen Manfred Kanther wegen der Finanzaffäre zu eröffnen. Damit bleibt eine der spektakulärsten politischen Affären der deutschen Nachkriegszeit ohne juristisches Nachspiel.

Zur Erinnerung: Kanther hatte Anfang 2000 zugegeben, 1983 rund 20 Millionen Mark aus dem Guthaben der hessischen CDU in die Schweiz transferiert zu haben. Unter anderem wurde mit diesem Geld 1999 der umstrittene Wahlkampf des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) mitfinanziert, in dem er gegen die doppelte Staatsbürgerschaft mobilisierte.

Auch gegen Kanthers Mittäter, Casimir Prinz zu Sayn-Wittgenstein und den ehemaligen CDU-Finanzberater Horst Weyrauch, wird es zunächst kein Verfahren geben. Bis heute ist ungeklärt, woher die Millionen kamen. SPD und Grüne vermuten, dass auch Gelder der Staatsbürgerlichen Vereinigung dabei waren, einer Geldwaschanlage für Industriespenden der 70er-Jahre.

Die gestrige Entscheidung nützt vor allem Roland Koch, der während der Affäre stark unter Druck geraten war. Er musste mehrere Lügen gegenüber der Presse einräumen. Außerdem gestand er, wissentlich einen falschen Rechenschaftsbericht seiner Partei unterzeichnet zu haben. Obgleich die Staatsanwaltschaft gestern ankündigte, Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts einzulegen, wird es zu einem Prozess erst nach der hessischen Landtagswahl Anfang 2003 kommen, in der sich Koch zur Wiederwahl stellt. EBERHARD SEIDEL