Politklon auf schmalen Gleisen

Der britische Transportminister Stephen Byers soll das heruntergekommene Bahnwesen wieder auf Trab bringen

Es gibt kaum einen mieseren Job im britischen Kabinett als den des Transportministers, aber einer muss ihn ja machen. Der britische Premier Tony Blair hat nach den Wahlen im vergangenen Juni Stephen Byers für den Posten auserkoren. Er soll die marode britische Bahn und die bankrotte Londoner U-Bahn wieder auf Vordermann bringen.

New Labour versuchte es zunächst mit der Privatisierung der Bahn, doch das Unternehmen, das für das Schienennetz und die Signale zuständig war, ging Ende vorigen Jahres Pleite. Nun hat Byers diesen Teil der Bahn für viel Geld wieder in öffentliches Eigentum überführt. Er musste einräumen, dass die britische Bahn in einem noch schlechteren Zustand ist als bei Labours Amtsantritt vor fünf Jahren.

Die Pendler können davon ein Lied singen: Veraltete Züge, die verspätet oder gar nicht ankommen, machen eine Bahnfahrt zu einem Abenteuer. Die U-Bahn will Byers nun durch eine Teilprivatisierung sanieren.

Byers wird in zwei Wochen 49 Jahre alt. Er ist in Wolverhampton geboren und studierte Jura in Liverpool. Nach seinem Abschluss wurde er Juradozent in Newcastle. Nachdem er 1992 als Abgeordneter für Tyneside North ins Unterhaus gewählt wurde, gab er seine Dozentur auf. 1995, als die Labour Party in der Opposition war, machte Blair ihn zum Parteisprecher für Bildungsfragen. Nach der gewonnenen Wahl 1997 wurde Byers Staatssekretär im Bildungsministerium, 1998 wechselte er ins Finanzministerium, bevor er zum Minister für Handel und Industrie ernannt wurde. Nach den Wahlen im vergangenen Juni wurde er Minister für Transport, Kommunalverwaltungen und die Regionen.

Seine Karriere ist von Kontroversen überschattet. Kurz vor Labours Wahlsieg 1997 erzählte Byers vier Journalisten, dass seine Partei dabei sei, die Verbindung zu den Gewerkschaften zu kappen. Am selben Abend bestritt er seine Äußerungen. Als die Artikel am nächsten Tag dennoch erschienen, zog sich Byers den Zorn der Gewerkschaften zu.

Seit er das Amt des Transportministers übernommen hat, ist Byers aus den Schlagzeilen nicht mehr herausgekommen. Seine Pressesprecherin Jo Moore empfahl ihm nach den Anschlägen in den USA am 11. September 2001, die Gelegenheit zu nutzen und die schlechten Nachrichten über den Zustand der Bahn zu veröffentlichen. Niemand würde das angesichts der Meldungen aus den USA wahrnehmen. Im Februar soll sie nach dem Tod von Prinzessin Margaret das Gleiche vorgeschlagen haben. Byers Berater Martin Sixsmith, ein Gegner von Jo Moore, machte ihre Vorschläge öffentlich. Als der Streit zwischen beiden eskalierte, verkündete Byers den Rücktritt von Moore und Sixsmith, doch Sixsmith bestritt, zurückgetreten zu sein.

Noch hat Byers die Unterstützung von Tony Blair, dem er nach Meinung des Journalisten Andrew Rawnsley so sehr ähnelt. Er schrieb im Observer: „Stephen Byers, so behaupten seine weniger erfolgreichen Konkurrenten, sei der lebende Beweis, dass New Labour die Wissenschaft des menschlichen Klonens perfektioniert hat. Er ist in den 40ern, er repräsentiert einen Wahlkreis in Nordost-England, er ist Anhänger von Newcastle United, er redet ständig über den dritten Weg. Die DNS von Tony Blair scheint perfekt in Stephen Byers reproduziert worden zu sein.“

RALF SOTSCHECK