Kündigung im Unterbau

Wie bekommen Frauen ihren Teil vom „ökonomischen Kuchen“? Durch Selbstmanagement! Durch soziale Kompetenz! Durch Verweigerung der unbezahlten Versorgungsleistungen!

von MECHTILD JANSEN

Bildung, Arbeit, Politik – von allem haben Frauen eigentlich genug, wenn auch nicht immer die, die sie gerne hätten. Gleichberechtigung scheitert heute an anderen Fragen: an Macht zur Selbstbestimmung und zur Gestaltung von Allgemeinheit, an Zeit und Freiheit für pure Lust, Laune und Entfaltung, sowie – das heiligste aller Güter, der Schlüssel zum Reich der ganzen Freiheit – an Geld oder eigener beziehungsweise gesellschaftlicher Wertsetzung.

Insofern kann es nur begrüßt werden, dass die Bundesregierung eine Vereinbarung zur Förderung von Frauen in der privaten Wirtschaft getroffen hat. Was treibt den Kanzler? Was hat die Wirtschaft mit der Gleichberechtigung der Menschen am Hut? Und gibt es einen Aufbruch bei Frauen, neue Wirtschaftsstrategien?

Innerhalb von nur einem Monat fanden fünf auf ihre Weise äußerst spannende Tagungen statt. Immer hatte die Bundesregierung indirekt oder direkt ihre Finger im Spiel: Die Enquetekommission des Bundestages veranstaltete eine Anhörung zum Thema „Globalisierung und Gender“; die Heinrich-Böll-Stiftung folgte mit einer Tagung zu „Gender Budgets“; eine große Wirtschaftsberatungsagentur lud internationale Spitzenfrauen aus Wirtschaft und Politik zu „World Women Work“; die Deutsche Bank schloss mit einer Konferenz „Women in European Business – Perspektive Zukunft“ an, die vom Bundeskanzler persönlich beehrt wurde; und schließlich veranstalteten verschiedene Wirtschaftsorganisationen unter Förderung des Bundesministeriums für Bildung eine internationale Konferenz „Enterprising Women – Unternehmensgründung in einer globalen Ökonomie“.

Das Panorama der Teilnehmerinnen begann bei Lobbyistinnen der Frauenbewegung des Südens, der westlichen Mittelschicht und einer Expertin aus der Weltbank. Es führte über die aufstrebenden Unternehmerfrauen der BRD, internationale Funktionärinnen des Wirtschaftslebens, Politikerinnen der Mitte, Wirtschaftsexpertinnen bis zur Bischöfin und Vertreterinnen internationaler Netzwerke, Wirtschaftsverbände und Beratungsunternehmen. Männer fielen nur durch ihre repräsentierte nominelle Hochrangigkeit auf.

Die Expertinnen des internationalen Feminismus bei der Enquetekommission und der Böll-Stiftung schauten auf die gesellschaftlichen Basisstrukturen und das Handeln der Frauen in ihnen. Sie thematisierten die Genderblindheit und die Blindheit der makroökonomischen Strukturen für die unbezahlte Versorgungswirtschaft. Während die „Nicht-Marktprozesse“ sehr wichtig für das Funktionieren der Wirtschaft seien, werde das Humankapital irrtümlich einfach als gegeben angesehen. Sie stellten die für Frauen negativen Wirkungen der gegenwärtigen globalen Wirtschaftsstrategien heraus, ob es sich um Freihandel, Protektionsbestimmungen, Handelsliberalisierung bei Nahrung, Wasser oder Gesundheit, Investitionsabkommen oder Autorenrechte handelt.

„Modernisierung“ der afrikanischen Landwirtschaft etwa produziere regelrecht neue Ungleichheit. Die externen Kosten von Privatisierungen blieben schlicht unberücksichtigt. Auch in Europa nimmt soziale Desintegration indirekt zu. Abhelfen soll die Einführung der Genderperspektive in die Politik wie in die institutionellen Strukturen. Konkrete Umsteuerung sollen Genderbudgets bringen. Sie übertragen das Gender Mainstreaming auf das Geld, von der individuellen bis zur größten Haushaltsebene. Hier ging es also vor allem um die Politik der Regierungen.

„World Women Work“ und die Deutsche Bank konzentrierten sich auf das Vorankommen der (Spitzen-)Akteurinnen in Politik und Wirtschaft, sprich auf sich selbst. Die Politikerinnen, etwa Heide Simonis oder Renate Künast, machten es in unterhaltender Personenshow eher larmoyant und retardierend. Sie erzählten „Dönekes“, wie es mit des Kanzlers Qualifizierung von Frauenfragen als „Gedöns“ durchaus korrespondiert. Die weiblichen Spitzenkräfte im Saal erlebte man als Selbsterfahrungsgruppe altseliger Zeiten, gebildet, im Kostüm und mit Contenance. Die Veranstalterinnen legten eine Studie vor, die, erstaunlich genug, die gleiche faktische Ungleichheit, wohl etwas altersgemildert, feststellte wie Feministinnen, die man ungern hören mag. Die Ursachen wurden im gesellschaftlichen Bewusstsein, in mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Familie, in „die Männer lassen uns nicht“ sowie der Schwäche der Frauen gesehen.

Abhelfen sollen die Selbstpromotion der Frau, die Herstellung einer Balance komplementärer weiblicher und männlicher Eigenschaften sowie der Glaube an sich selbst. Kultureller Wandel – flexible Arbeitszeiten, Infrastruktur für Kinder, Mentoring und Networking, internationale Kooperation für Gründerinnen – sollen hinzukommen, wie auch „Diversity“-Konzepte mit dem Ziel anhaltender Mitarbeiter- und Kunden-Motivation und -Bindung.

Die Gründerinnentagung wusste zudem eine Zukunftsvision der Märkte speziell für Frauen aufzutun. Auf ihnen würden nur Kontakt, Gespräche und Einfühlung sowie „Wissen“ gehandelt, alles sei ständig im fairen Fluss, sehr weiblich und jede(r) erfolgreich, wer eine langfristige, vertrauensvolle Bindung zum Kunden aufbauen könne. „Arbeit in der Wissensepoche“ sei frei, unabhängig und selbstständig, einfach das, was man tut und ist. Privates und Beruf seien integriert, und Arbeiten heiße künftig stetes „Improvisieren“ statt mit ihr wie bisher „Ziele anzusteuern“.

Der Männer Hauptbotschaft war weniger umwunden: Sie brauchen die Frauen als Wirtschaftsressource, und deshalb wollen sie etwas tun, ihnen die Teilhabe zu erleichtern. Umzudenken gilt es nur insofern, als Frauen diese Funktion nicht nur erfüllen dürfen, sondern sollen, im Übrigen ja müssen, sind sie doch auf Kindersorge und Selbstständigkeit existenziell verwiesen. Manche Unternehmen sind noch zögerlich, feministisches Wissen nachzuholen, um es (wie die Dresdner Bank oder das Jülicher Forschungszentrum) im allgemeinen Unternehmensumbau für sich nutzbar zu machen. Die ersten Topmänner haben weniger Hemmung, sie wissen sich als die dirigierenden und somit eigentlichen Größen.

Dem Kanzler geht es um den globalen Wettbewerb und die Wohlstandssicherung. Er setzt dafür auf Kinderbetreuung, Existenzgründung und die nächste Generation. Macht abgeben? Er habe sich einen „netten Tag machen“ wollen, antwortete er. Er kämpfe täglich um Macht und könne sich nicht fragen: Soll ich abgeben? Tessen von Heydebreck, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, wurde da schon konkreter: Man bewege sich im Übergang zur Wissensgesellschaft, die Talente bewegten sich freier, die Arbeitsverhältnisse seien im Fluss, den Besten müsse man etwas bieten, das Individuum manage die eigene Person und die Bank biete „Karrierepartnerschaft“, aber das Risiko steige. Die Spielregeln der alten Männerwelt würden morgen nicht mehr funktionieren, neue werden gebraucht. Da kommen die Frauen gerade recht.

Mann, Geld, Macht – diese Einheit wird neu bedient, und deshalb macht er mit, Veränderung ist eh unvermeidbar. Das war bei der Zustimmung zu Quoten nicht anders, nur brachten diese noch inhaltliche und strukturelle Innovation, Demokratisierung und Verbindlichkeit, die es hier nicht mehr gibt. Frauen sind darauf verwiesen, erneut dazuzulernen, was die modernisierten Spitzenmänner schon machen. Die Frau auf dem Weg zur Spitze akzeptiert diese Norm, den neuen Kämpfer um die Märkte, außen weich und innen hart, inzwischen bar jeder traditionellen Schutzverpflichtung für „Schwache“. Ihre „Schwäche“ muss sie sich selbst abtrainieren, ihre Einstellung zur Macht korrigieren, sich durchsetzen und härter sein, besonders wo es ums Geld geht, ihre Umgebung dafür einspannen. Mit den Frauen sonst zugeschriebenen „soft skills“ gibt es keine Karriere, die braucht man höchstens beim Fang von Mitarbeitern und Kunden. Es geht um Tun, sofort – und um Erfolg, ohne Kontext und Geschichte. Sedativ, zweifelnd oder abwertend reagierten dagegen die Männer allein schon beim Hinweis auf ihre Abhängigkeit von Frauen und auf den Vorschlag, sich darauf bitte einzustellen. Dabei hatten die Frauen an den Einsatz ihrer Macht noch längst nicht gedacht.

Es gibt auch Gemeinsamkeiten in den Ansätzen: Sie sind inspiriert von der Frage, wie bekomme ich den größtmöglichen Teil vom ökonomischen Kuchen? Auf verschiedene Weise dreht sich die Debatte um das ökonomische Gebrauchtwerden, dessen Kehrseite der Verteilungskampf ist. Globalisierung wird verkürzt auf Ökonomisierung. Die Jetztzeitökonomie fragt nicht mehr, wie Mehrwert entsteht; Geld vermehrt sich jedoch nicht einfach selbst. Gender Mainstreaming und Genderbudgets sind in ihrem Anspruch gut, die Praxis jedoch eher technokratisch und bürokratisch, wie im „männlichen“ Rahmen verfangen. Gender wird diesem angehängt, anstatt die Hauptkategorien, Spielregeln und Paradigmen von Wirtschaft und Gesellschaft in ihrem Licht neu zu denken. Die Veränderung wird implizit an den Herrschaftsmann delegiert.

Dabei schneiden sich die Frauen ins eigene Fleisch. Einmal, wenn sie aus der wechselseitigen Abhängigkeit heraus keinen Anspruch mehr auf einen eigenen Teil und im übrigen Halbe-halbe zur Norm erheben. Und das andere Mal, wenn sie mit „Diversity“ und „weichen Waren“ auf den Stellenwert des sozialen Kapitals verweisen, das Frauen nicht nur selbst darstellen, sondern das herauszubilden als „Arbeit am Mensch“ ihr primäres Handwerk war, mit dem sie gewinnen wollen, ohne für dessen materielle Aufwertung einzutreten.

Diversity macht bereits zum nur individuellen Unterschied, was hierzu erst noch werden muss, indem die soziale Kategorie Frau und deren Abwertung als Einengung der Frau aufgelöst wird. Wer auf den neuen Dienstleistungsmärkten „harte“ materielle und damit Machtprobleme ausblendet, verbaut sich selbst die schönen neuen Zukunftschancen, weil sie viel wird arbeiten müssen und dennoch ärmer bleiben wird. Es bleibt im Übrigen Arbeit in sozialer Abhängigkeit. Ihr Maß an Selbstbestimmung wird ausgehandelt werden müssen – ohne gesellschaftliche Bezüge wohl nur nach dem Recht des Stärkeren. Damit wären der gelobte soziale Fortschritt und die Gerechtigkeit passee.

Die Frauen stellen sich auf die globale Strategie der herrschenden Eliten ein. Auffallend war vor allem, dass sie alle auf unterschiedliche Weise und Qualität eigentlich dasselbe thematisieren: die weibliche Sorgearbeit. Hindert Frauen wirklich nur fehlende Kinderbetreuung am beruflichen Aufstieg? Die Hoffnungsstichworte, die angesichts doch nicht ganz zu verdrängender Sorgen fielen, wie die „Geben-und-Nehmen-Gesellschaft“ oder die „Work-Life-Balance“ sprechen eine andere Sprache. Die Spannweite der Problematik zeigt sich eher in der Gegenüberstellung von einer Stunde „Hausarbeit“ und einer Stunde „Finanzmarktarbeit“, die doch zusammengehören.

Wo die eine Arbeit immer frei verfügbares, scheinbar endloses Gut ist, senkt sie die Produktivität des Ganzen und unterminiert alle Kapitalien, auch das der Männlichkeit. Außerdem wächst weltweit Frauenbeschäftigung, gar ihre Ernährerinnenrolle mehr als die der Männer, und zugleich kündigen Frauen die unbezahlte Arbeit im Unterbau der Gesellschaft mehr und mehr auf. Auf diese Weise „übertrumpfen“ sie Männer. Deshalb ist ein Konzept notwendig, das Demokratie als künftige entscheidende Produktivkraft setzt.

MECHTILD JANSEN lebt als freie Publizistin in Köln