Angesagt: Transparenz

■ Ausschreibungen: Bremen soll mit gutem Beispiel voran gehen, findet der Gründer von Transparency International

Peter Eigen ist Gründer und Vorsitzender der weltweit agierenden Antikorruptions-Organisation Transparency International (TI). Früher hat er für die Weltbank Richtlinien für Bauvergaben entwickelt.

taz: Transparency International hat in Deutschland im Moment bestimmt gut zu tun, oder?

Peter Eigen: In der Tat. Früher hatten wir mit größeren Widerständen zu kämpfen, weil man davon ausging, dass Deutschland kein ernstes Korruptions-Problem hat.

Wandelt sich das Deutschland-Bild in puncto Korruption?

Ja, es verschlechtert sich. Wir geben jährlich eine Rangfolge heraus. Darauf ist Deutschland in den letzten fünf Jahren von Platz 13 auf Platz 20 gefallen.

In den Skandalen der letzten Wochen ist der Bremer Untersuchungsausschuss zur Bauvergabe fast untergegangen. Hat Transparency davon Notiz genommen?

Im Grunde genommen ist das in Bremen ein Phänomen, das wir überall kritisieren: In Deutschland gibt es sehr gute Ausschreibungsrichtlinien, die vorschreiben, dass große Investitionen öffentlich geplant und ausgeschrieben werden. Die Kriterien müssen öffentlich und überprüfbar sein, und am Ende muss der günstigste Anbieter den Zuschlag bekommen. Von diesem Verfahren machen insbesondere kleinere Gemeinden häufig Ausnahmen, weil man denkt, dass man seine eigene Industrie, seinen eigenen Arbeitsmarkt fördern kann. Aber auch in Berlin gab es mal den Vorschlag, Aufträge unter 600.000 Mark nicht mehr auszuschreiben. Das ist ein großer Fehler, denn damit stößt man die Scheunentore der Korruption weit auf.

Ist es akzeptabel, dass in Bremen öffentliche Immobilien regelmäßig ohne Ausschreibung veräußert werden?

Es gibt ganz wenige Ausnahmen, bei denen eine Ausschreibung Zeit- oder Geldverschwendung wäre. Wenn ein Auftrag für die Erweiterung einer Telekommunikationsanlage vergeben wird, ist es selbstverständlich, dass man denselben Standard wie vorher braucht und keine neue Firma beauftragt. Schlimm wird es, wenn solche Dinge ad hoc und unter der Hand entschieden werden; wenn Entscheidungsträger großes Ermessen haben und sich kein wirkliches Bild von den Möglichkeiten machen können, für die Allgemeinheit das Meiste rauszuholen. Das erleben wir sehr viel, nicht nur beim Bau von Müllverbrennungsanlagen, sondern auch beim Verkauf von öffentlichen Vermögenswerten.

Was kann man dagegen tun?

Da müssen die Medien sehr aufmerksam sein und dafür sorgen, dass sich die Bürger von Bremen, Köln oder Wuppertal so was nicht gefallen lassen. Das ist unsere Arbeitsweise in vielen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika. Wir mobilisieren die Zivilgesellschaft, indem wir sagen: Es gibt weltweit erprobte Standards, die ihr für euch in Anspruch nehmen könnt. In Buenos Aires zum Beispiel werden jetzt Ausschreibungen komplett im Internet veröffentlich. Genauso in Mexiko oder Korea. Es ist natürlich beschämend, wenn eine Stadt im hochentwickelten Deutschland, und noch dazu eine so fantastische Stadt mit einer so beeindruckenden Tradition wie Bremen, die ja selbst eine beachtliche weltweite Initiative für effizientere Stadtverwaltungen angeschoben hat, diese einfachen Mittel, sich gegen die Korruption zu schützen, nicht in Anspruch nimmt.

In Bremen ist ein Problem die Übertragung staatlicher Aufgaben an Eigenbetriebe, die nur teilweise parlamentarischer Kontrolle unterliegen.

Eigenbetriebe sind viel gepriesen als Mittel gegen Korruption, weil man davon ausgeht, dass die schon aus kommerziellem Interesse sorgfältiger mit ihrem Geld umgehen. Aber das ist absolut nicht der Fall. Vor allen Dingen dann nicht, wenn die Ämter an Parteibonzen vergeben werden. Und zum anderen dann nicht, wenn die gesetzlichen Rahmenbedingungen eine effiziente Kontrolle der Arbeit dieser Betriebe noch nicht ermöglichen. Besonders gravierend ist das, wenn sie ein Monopol haben.

Als die Bremer Grünen einen Untersuchungsausschuss zur Bauvergabe anstrengten, warf die CDU ihnen vor, damit den Standort zu schädigen ...

Das genaue Gegenteil ist der Fall. Wir haben festgestellt, dass die Position, die ein Land auf unserer Rangfolge bezüglich der in diesem Land erwarteten Korruption einen großen Einfluss auf Investitionen aus dem Ausland hat. Genauso ist das natürlich auch innerhalb eines Landes. Deshalb ist eine lückenlose Überprüfung ganz wichtig. Der Vorwurf erinnert mich an das Argument, man solle korrupte Unternehmen nicht per schwarzer Liste von öffentlichen Bauaufträgen ausschließen, weil dadurch Arbeitsplätze gefährdet würden. Das ist fast schon schwachsinnig – dann würden ja Arbeitsplätze in korrupten Betrieben einen höheren Schutz genießen als in den ehrlichen.

Gibt es denn auch Inland-Rankings?

Transparency Deutschland hat mal versucht, die verschiedenen Bundesländer zu vergleichen. Aber das ist damals auf Widerstand gestoßen.

Fragen: Jan Kahlcke