Kraftwerk zum Discount-Preis

Ein Wiener Erfinder baut eine Staudruckmaschine, die die Vorteile von Wasserrad und Turbine vereint. Die Perspektiven sind nicht schlecht: An vielen Standorten könnten die neuen Anlagen eingesetzt werden. Eingriffe in die Flussökologie sind gering

„Die Wasserturbine ist für alle Wasserlebewesen durchgängig“„Die Maschine wird nur 10 bis 20 Prozent einer herkömmlichen Anlagen kosten“

Die Erfindung klingt unglaublich. „Meine Wasserturbine ist stromabwärts durchgängig für alle Wasserlebewesen“, sagt der Wiener Entwickler Adolf Brinnich, „auch Fische bleiben unversehrt.“ Zudem gehe ein Großteil des Schwemmgutes, das die Flüsse üblicherweise mit sich führen, problemlos durch die Turbine hindurch. „95 Prozent des Materials wird verarbeitet – die Laufräder brauchen nicht einmal einen Rechen“, sagt der Erfinder. Es genüge lediglich ein Balken, der dann die großen Baumstämme abweist.

Brinnich hat seine Entwicklung „Staudruckmaschine“ genannt, kurz SDM. Obwohl sie äußerlich mehr an ein Wasserrad denn an eine Turbine erinnert, sei sie physikalisch als Turbine einzustufen – „als eine Art Niederdruckturbine“, sagt Adolf Brinnich. Denn Wasserräder haben im Vergleich zu Turbinen nur ein kleines Schluckvermögen und erzielen daher nur bescheidene Leistungen. Die Laufräder der Staudruckmaschine hingegen seien in der Lage, mit „nur ganz geringen Reibungsverlusten im tiefen Wasser zu arbeiten“.

Dabei könnten die Räder nicht nur die potenzielle Energie nutzen, sondern erstmals auch die Strömungsenergie großer Wassermengen wirtschaftlich verwerten, sagt Adolf Brinnich. Zugleich habe die Staudruckmaschine gegenüber einer Turbine den Vorteil, dass keinerlei Umlenkverluste aufträten, wie sie sonst durch Richtungsänderungen des Wassers in der Regel nicht zu vermeiden seien. Zudem gebe es keine Position des Laufrades, in welcher ein freier Wasserdurchgang möglich ist. Ganz egal, wie die Turbine gerade steht: Höchstens zwei bis drei Prozent der gesamten Wassermenge könnten durch den mechanisch bedingten Luftspalt ungenutzt abfließen.

Eine aufwändige Regelung entfällt. Weder gibt es einen Leitapparat, der den Zulauf des Wassers steuert, noch gibt es an der Turbine Schaufeln, die verstellt werden können. Steigt die Wassermenge, steigt schlicht und einfach der Druck auf die untere Schaufel. Problemlos könne man somit mehrere Räder dieser Art nebeneinander bauen, sagt der Erfinder. Vom „Quantensprung für Kleinkraftwerke“ schrieb bereits wohlmeinend die österreichische Tageszeitung Der Standard.

Eine Pilotanlage mit zwei parallelen Laufrädern von jeweils 4,25 Meter Durchmesser hat Brinnich an einem Mühlkanal bei Graz bereits errichtet. Sie nutzt eine Fallhöhe von 1,40 Meter und bringt eine Leistung von 150 Kilowatt bei einem Schluckvermögen von zehn bis zwölf Kubikmetern pro Sekunde. Der Durchmesser der Nabe entspreche im Idealfall der Fallhöhe sagt Brinnich. Für Fallhöhen von bis zu sechs Metern sei die Staudruckmaschine geeignet.

In Zukunft will Brinnich mit seiner Turbine allerdings noch in weit größere Dimensionen vorstoßen. „Ich will Kraftwerke im Megawattbereich damit ausstatten“, sagt der Entwickler, der in Wien die Firma Wicon-Generatoren gegründet hat. Längst hat Brinnich ein Patent für die Staudruckturbine in der Tasche – „obwohl mir viele Leute anfangs sagten, dass es Patente im Turbinenbau nicht mehr geben könne, weil die Technik längst ausgereift sei“.

Mit seiner Maschine will Brinnich nun demonstrieren, dass am Markt Bedarf besteht für neue Turbinenformen. Sein wichtigstes Argument ist der Preis: „Die Staudruckmaschine wird im Megawattbereich nur 10 bis 20 Prozent einer herkömmlichen Anlage kosten“, sagt der Tüftler. Dies liege speziell daran, dass die gesamte Peripherie wie etwa der Betonbau deutlich sparsamer ausgelegt werden kann – die SDM braucht kein Turbinenhaus, kein Ausleitungsbauwerk und keinen Zulaufkanal. Sie wird schlicht und einfach in die Strömung gehängt und vereint so die Vorteile von Turbine und Wasserrad.

Auch das Umweltbundesamt in Berlin hat sich mit dem Prinzip der neuen Turbine bereits beschäftigt und sich im vergangenen Jahr schon positiv dazu geäußert. Man halte die Staudruckmaschine „aus fachlicher Sicht für aussichtsreich, bestimmte gewässerökologische Probleme zu vermeiden“, lässt das Amt wissen. Denn es sind mit dieser keine Ausleitungsstrecken mehr erforderlich, die aufgrund ihres oft niedrigen Wasserstandes immer wieder in die Kritik von Naturschutz- und Fischereiverbänden geraten.

Unterdessen, sagt der Wiener Tüftler, sei er mit einem Stromversorger in Deutschland bereits in Kontakt, um das erste kommerziell genutzte Kraftwerk dieser Art zu bauen – Genaueres will er noch nicht verraten.

Die Perspektiven sieht der Turbinenbauer rosig: 30.000 bis 40.000 Wasserkraftstandorte habe es einst in Deutschland gegeben; zumeist waren sie mit Wasserrädern ausgestattet. An diesen historischen Standorten, aber auch an vielen neuen Standorten könnten die neuen Staudruckturbinen dank der nur geringen Eingriffe in die Flussökologie künftig eingesetzt werden.

BERNWARD JANZING

www.wicon.at