Tanken an der Induktionsschleife

Die Firma Wampfler in Weil entwickelt Ladesysteme für Elektrobusse. Damit lassen sich die Fahrzeuge berührungslos mit Energie aufladen – die Standard-Bleiakkus im Bus beispielsweise binnen drei Minuten für den nächsten Fahrzyklus

Elektrobusse können künftig an ihren Haltepunkten berührungslos „betankt“ werden. Ein entsprechendes System hat die Wampfler AG in Weil am Rhein entwickelt. Die Energiezuführung beruht auf dem Prinzip der Induktion und nennt sich IPT – Inductive Power Transfer.

Dabei wird in den Boden an den Haltestellen eine Spule eingelassen, die bei Eintreffen des Busses ein elektromagnetisches Feld aufbaut. Der Bus führt eine zweite Spule mit sich, die aus den elektromagnetischen Wellen elektrische Leistung gewinnt. Auf diese Weise wird Energie über eine Distanz von wenigen Zentimetern auf das Fahrzeug übertragen.

Die Standard-Bleiakkus im Bus können so ohne Zutun des Fahrers binnen drei Minuten wieder für den nächsten Fahrzyklus geladen werden. Weil auf diese Weise häufiges Nachladen möglich wird, lassen sich die Batteriekapazitäten gegenüber einem konventionellen Elektrofahrzeug um 75 Prozent reduzieren – mit dem Vorteil einer entsprechenden Gewichtseinsparung. Mit Tests an Touristenbussen in einem Naturpark in Neuseeland, an denen auch die Universität Auckland mitwirkt, zeigt sich Wampfler sehr zufrieden: Die „Idee einer berührungslosen Gelegenheitsladung ist damit ohne eine Intervention des Fahrers umsetzbar“.

Nun will das Unternehmen die Technik auch im klassischen Nahverkehr in Europa etablieren: Mit der Hochschule für Technik und Architektur in Luzern, Schweiz, wurde ein Pilotbus entwickelt, der in Kürze auf mehreren innerstädtischen Linien in Altstätten im Schweizer Kanton St. Gallen verkehren soll. Die Länge der einzelnen Linien liegt zwischen vier und fünf Kilometern, alle Linien haben eine gemeinsame Ladestation. Weitere Busprojekte entwickelt Wampfler gleichzeitig in Südeuropa, eines davon startet soeben in Genua. Insgesamt gehe es um Pilotprojekte mit einer dreistelligen Anzahl von Bussen, sagt Wampfler-Vorstand Uwe Bormann.

In den vergangenen 42 Jahren hat sich die Wampfler AG mit ihren derzeit 478 Mitarbeitern bereits auf dem Sektor der Energiezuführung für bewegliche Verbraucher im industriellen Bereich einen Namen gemacht. Im Kranbau, in der Hochregal-Lagertechnik und für Fertigungsmaschinen bietet das Unternehmen längst Systeme zur berührungslosen Energieübertragung an. So bezieht zum Beispiel der Aufzug am Messeturm auf dem einstigen Expogelände in Hannover seine Energie berührungslos. Auch für Montagewerke der Automobilindustrie liefert Wampfler die Technik für die Energieversorgung von Förder- und Transportsystemen.

Die Komponenten zum induktiven Energietransport arbeiteten mit hohen Wirkungsgraden: 95 bis 96 Prozent der eingesetzten Energie werden laut Firmenangaben genutzt. Dazu trägt unter anderem eine neue Technik der Spulen bei, die statt der klassischen Trafobleche eine Keramik auf Basis von Ferrit-Oxiden nutzt.

Wampfler bietet heute im Bereich der Industrieautomation sowohl eine kontinuierliche als auch eine diskontinuierliche Energieübertragung an. Diskontinuierlich ist die Übertragung an speziellen Ladestationen – wie bei den Bussen. Kontinuierlich ist die Übertragung über fahrstreckenparallele Leitungen und Stromabnehmer. Auch für den Personenverkehr wird die Firma künftig beide Systeme anbieten. Im Unterschied zu den heutigen Schleifleitungen wird auch bei den kontinuierlichen Systemen die Energie berührungslos übertragen; das Verfahren ist somit verschleißfrei. Die derzeit von der Firma Wampfler realisierten Übertragungsleistungen liegen bei 160 Kilowatt bei kontinuierlichen Systemen und 70 Kilowatt bei diskontinuierlichen.

Mit einer zu erwartenden Steigerung der Leistungen ergeben sich langfristig auch im schienengebundenen Hochgeschwindigkeitsverkehr neue Perspektiven – denn das heutige Stromabnehmersystem sei für Geschwindigkeiten jenseits von 280 Kilometern pro Stunde kaum noch zu handhaben, heißt es bei der Wampfler AG: „IPT hingegen ist geschwindigkeitsunabhängig einsetzbar.“ Zudem besitze die Technik noch weitere Einsatzbereiche, in denen eine kontaktgebundene Übertragung nicht denkbar ist: „Wir können die induktive Energieübertragung auch in anderen Medien einsetzen – etwa unter Wasser“, sagt Bormann. Das Volumen des Weltmarktes schätzt man bei Wampfler auf mindestens eine halbe Milliarde Euro jährlich.

Die induktive Energieübertragung hat gegenüber klassischen Stromleitungen einen weiteren Vorteil: Die Leiter sind ungefährlich, weil sie isoliert sind – man kann sie daher mit der Hand berühren, obwohl sie unter Spannung stehen. Das wiederum befreit die Planer von der Pflicht, die Leitungen in unerreichbarer Höhe zu führen. Stattdessen bietet es sich an, sie zwischen den Schienen zu verlegen.

Oft wird die Herstellerfirma mit der Frage nach der elektromagnetischen Verträglichkeit des Systems konfrontiert. Denn im ersten Moment malt man sich riesige Feldstärken aus, die notwendig sind, um nutzbare Leistungen induktiv zu übertragen. Doch in der Realität halten sich die Felder in Grenzen, da die magnetische Feldstärke mit dem Abstand von der Quelle rapide abnimmt. Auch ein anderer Gedanke lässt ahnen, dass die Felder nicht übertrieben stark sind: Kommen beim Ladesystem für Busse beide Spulen zusammen, ergibt sich dadurch praktisch nichts anderes als das Magnetfeld eines gewöhnlichen Transformators. BERNWARD JANZING