Die Alchemie stimmt

Die deutsche Nationalmannschaft spielt gegen die USA mit einem B-Team, gewinnt 4:2 – und schließt daraus, „dass Deutschland wieder da ist“

aus Rostock FRANK KETTERER

Es war in der Pause und es trug sich im prallgefüllten Presseraum des Rostocker Ostseestadions zu. In den Fernsehern dort hatte der Fußball-Weise Günter Netzer gerade eine erste Analyse zum Stand der Dinge abgegeben, nun flimmerten Ausschnitte aus der Partie Kamerun gegen Argentinien über die matte Scheibe. Zwar wurde nicht allzu viel von dem Spiel gezeigt, was aber zu sehen war, strotzte von Tempo, Dynamik und fußballerischer Finesse. So übte das Filmchen sichtlich Eindruck aus auf die umherstehenden Medienvertreter, im Ostseestadion hatten sie in den kalten 45 Minuten zuvor Gleiches jedenfalls nicht zu Gesicht bekommen.

Eine Halbzeit später hatte sich das schale Gefühl aus Durchgang eins bei nicht wenigen im Oval dann doch verflüchtigt, nicht nur auf den Presserängen. 4:2 gewonnen hatte die deutsche Nationalmannschaft also noch gegen die USA, und einen Vergleich des Kicks mit dem Spiel aus der Pause verbat sich Rudi Völler ohnehin, noch bevor man ihn danach hätte fragen können. „Wenn wir in einem Spiel vier Tore schießen, dann heißt es gleich: Der Gegner war nicht so stark“, stellte der deutsche Teamchef da fest, was er ganz offenbar als Ungerechtigkeit empfand.

Aus Rostock berichten muss man das dennoch: Dass die USA nicht nur „nicht so stark“ waren, sondern sogar ziemlich schwach. „Wir waren Deutschland physisch nicht gewachsen“, analysierte US-Coach Bruce Arena, auf jeden Fall sei Völlers Team weitaus besser präpariert gewesen als beispielsweise die Italiener, gegen die die USA kürzlich nur ganz knapp und mit 0:1 verloren hatte. Dass Arena das eigens erwähnte, war durchaus als Kompliment zu verstehen.

Völler nahm dieses in seiner ihm eigenen Nonchalance auf, nötig hätte er es zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr gehabt. Schließlich hat der Mann wieder einmal alles richtig gemacht, und dass man das in diesem Fall so wirklich erst im Nachhinein sagen kann, beweist schon, wie schwer es diesmal war: Auf 14 (!) Stammkräfte und WM-Kandidaten hatte Völler bei dem WM-Test verzichten müssen, wie eine Flutwelle waren die Absagen in den Tagen an der Ostsee über ihn hereingebrochen. Klaglos ertragen hat das der Teamchef, tapfer gar jene Akteure verteidigt, über die es die Ahnung gab, sie würden sich nur drücken und schonen wollen für ihre Vereine, zudem die angeschlagenen Wörns und Nowotny gar freiwillig nach Hause geschickt zur Pflege. Im Misserfolgsfall wäre all das Völler gewaltig unter die Nase gerieben worden, gut möglich, dass so gar sein Ruf gelitten hätte, ein kleines bisschen zumindest.

Nun gibt es nichts zu reiben, sondern vielmehr die Erkenntnis, dass des Landes zweite Fußball-Lichtgestalt ganz offenbar sogar über das alchemistische Know-how verfügt, aus Scheiße Gold machen zu können, soll heißen: aus einer „Farce“ (die dpa vor dem Spiel) ein kleines Fußballfest (was ausschließlich für die Zahl der Tore gilt und keineswegs fürs lediglich rudi-mentär vorhandene spielerische Element). Ohnehin ist der Ertrag aus dem USA-Spiel in erster Linie im psychologischen Bereich zu finden. „Natürlich ist man froh, eine solche Chance zu bekommen. Nur so kann man zeigen, was man kann“, fand etwa der Bremer Torsten Frings, der die Ballack-Rolle im Mittelfeld übernahm, sich dort ordentliche Noten verdiente und sogar ein Tor (4:1/68.) beisteuerte. „Tore sind für einen Stürmer immer gut, besonders für einen Stürmer wie mich“, tankte auch der zuletzt wieder einmal krisenbefallene Oliver Bierhoff mit seinem Treffer zum 3:1 (65.) Selbstvertrauen. „Siege wie dieser zeigen, dass Deutschland wieder da ist“, stellte derweil Christian Ziege, Kapitän und Torschütze zum 1:1 kurz vor der Pause fest, was von Teamchef Völler prompt Bestätigung fand: „Dieser Sieg ist wichtig, weil das die Konkurrenz aufhorchen lässt.“

Wie sehr das der Fall ist, wird bald schon zu erfahren sein: Am 17. April trifft Deutschland in Stuttgart auf Argentinien, einen der WM-Topfavoriten, am 11. Juni, im letzten WM-Vorrundenspiel in Shizuoka, auf Kamerun. Die beiden Teams trennten sich nach atemberaubend hochklassigem Spiel übrigens 2:2.