Stoiber bewirbt sich als Oppositionsführer

CSU-Generalsekretär Goppel: Kanzlerkandidat Stoiber könnte auch im Falle einer Niederlage nach Berlin wechseln

BERLIN taz ■ Michael Glos ist auf einer Fastenwanderung, schließlich ist Karfreitag. Roland Koch ist im Osterurlaub. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag und der christdemokratische Ministerpräsident von Hessen sind keine Ausnahme. Kaum ein führender Unionspolitiker war gestern im Einsatz, und so blieb die erstaunliche Ankündigung von Edmund Stoibers Generalsekretär Thomas Goppel fürs erste ohne großes Echo: Auch im Fall einer Niederlage kann sich der bayerische Ministerpräsident und Kanzlerkandidat der Union vorstellen, nach Berlin zu gehen.

„Edmund Stoiber wäre sicherlich ein markanter Oppositionsführer“, sagte Goppel am Gründonnerstag dem Fernsehsender Phoenix, „ich kann mir das sehr wohl vorstellen.“ Ein Strategiewechsel? Ein Ausrutscher? „Ein sehr hilfreiches Interview!“ stöhnt ein führender Christdemokrat in Hessen. „Es gibt Sachen, die sagt man“, heißt es in der CSU-Landesgruppe, „und es gibt Sachen, die sagt man nicht.“ Bisher galt in der Union als ausgemacht, dass der 60-jährige Stoiber sein Amt als Ministerpräsident nur gegen den Kanzlerstuhl eintauschen würde. Nun lüftet Goppel mit seinen Äußerungen gleich die Deckel von mehreren Töpfen, unter denen es kräftig brodelt.

Da ist zum einen die Diskussion um Stoibers Nachfolge in München. Bisher wollten die möglichen Erben mit ihren Ambitionen nicht unliebsam auffallen, schließlich sprach einiges dafür, dass Stoiber ihnen als Chef auch nach der Bundestagswahl erhalten bleiben würde. Wenn ihr Ministerpräsident jedoch in jedem Fall nach dem 22. September in Richtung Berlin entschwindet, verschärft sich die Konkurrenz der Kronprinzen (zu denen sich übrigens Thomas Goppel zählt).

Ärger droht auch in Berlin. Goppels Gedankenspiel rührt an der heiklen, weil ungeklärten Frage, ob der Führungsanspruch des Kanzlerkandidaten über die Bundestagswahl hinaus gilt. Zwar beteuerte Goppel, Stoiber „ist nicht gekommen, um jemanden zu verdrängen. Er ist gekommen, um an einer Stelle mitzuarbeiten, die bisher nicht besetzt war.“ Doch das Amt des Oppositionsführers ist klar definiert – und bisher ist der CDU-Mann Friedrich Merz Unionsfraktionsführer im Bundestag. Bereits jetzt achtet die ungleich größere Schwesterpartei CDU akribisch darauf, von der Regionalpartei CSU nicht untergebuttert zu werden. Vor allem der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel dürfte die Aussicht missfallen, im Falle einer Niederlage die ohnehin magere Oppositionskost mit ihrem Rivalen aus München zu teilen.

Vielleicht ging es dem CSU-Generalsekretär auch nur wie Peter Müller mit seinem Geständnis, die Union habe im Bundesrat Theater gespielt: Er bringt die Wähler unabsichtlich auf Gedanken, von denen Wahlkämpfer sonst immer gerne ablenken. So hat Thomas Goppel daran erinnert, dass die Union im Herbst verlieren kann. Unter Wahlkampfmanagern gilt dieses Feld der Spekulation gemeinhin als No-go-Area. PATRIK SCHWARZ