Frischer Wind für Pazifisten

Der „Krieg gegen den Terror“ bringt den Ostermärschen Zulauf, hoffen die Veranstalter. Grüne und PDS buhlen um die Gunst der Friedensfreunde. Die setzen aber lieber auf Globalisierungskritiker

von NADIA LEIHS

Das Jahr nach dem Ostermarsch 2001 war ernüchternd für Friedensbewegte: Die eingestürzten Türme in New York, die Bomben auf Afghanistan, die Niederlagen der grünen Pazifisten und jetzt die neuen Kriegspläne der USA.

Die Hoffnung der Organisatoren, dass die diesjährigen 60 Großveranstaltungen mehr Zulauf haben, könnte sich daher als berechtigt erweisen. Der „Kampf gegen den Terror“ und die „Auseinandersetzung mit der Kriegspolitik der Bundesregierung“ ist in Variationen Thema der Ostermarsch-Aufrufe. Im Kreise der Pazifisten hat sich massives Misstrauen gegenüber der rot-grünen Politik entwickelt. „Da gibt es Loslösungsprozesse, die ziemlich fundamental sind“, analysiert Willi van Oojen vom Ostermarschbüro in Frankfurt.

Wie die PDS, die seit Anfang der Woche für die Ostermärsche wirbt, versuchen die Grünen Angelika Beer und Winni Nachtwei die alte Klientel mit einem eigenen Aufruf einzufangen. „Diese Kritik nehmen wir ernst“, antworteten sie auf die Rüge für ihre Politik, die Kritiker übersähen allerdings die „Dilemmata einer Politik gegenüber akuter Gewalt“. Das wird die Grünen aber kaum mit dem harten Kern der Friedensbewegung aussöhnen, der „die Relegitimierung des Militärischen als Instrument der Politik“ verurteilt, wie Kai-Uwe Dosch von der Deutschen Friedensgesellschaft.

Zu den Hochzeiten der Ostermärsche demonstrierten bis zu 700.000 Menschen gegen die nukleare Aufrüstung. Nach dem Ende des Kalten Krieges sei die Bedrohung für die meisten Menschen zu abstrakt geworden, um den Protest weiterzutragen, glauben Soziologen und Politikwissenschaftler. Seit Anfang der 90er-Jahre nehmen die Teilnehmerzahlen ab, die Nachricht vom Tod der Friedensbewegung macht jedes Jahr die Runde. „Wir sind zurzeit nicht in der Lage, mit einer Massenbewegung politische Veränderungen zu erzwingen“, gesteht Willi van Oojen ein. Friedensaktivist Dosch hält dagegen: „Es geht nicht um Zahlen, sondern um Themen.“

Die haben sich seit 1960 kaum verändert, findet Renate Kirstein vom Hamburger Friedensforum. Die 62-Jährige ist seit 1961 fast jedes Jahr dabei – und sagt: „Die Flugblätter von vor 20 Jahren könnte man heute noch nehmen.“ Politischen Einfluss will sie der Friedensbewegung damit nicht absprechen. Sie glaubt sogar, die Kohl-Regierung hätte sich 1991 im Golfkrieg nicht nur auf finanzielle Unterstützung beschränkt, wären die Pazifisten nicht auf die Straße gegangen.

Aktivisten wie Kirstein wird es aber künftig nicht mehr geben, prognostiziert Kristian Golla von der Bonner Friedenskooperative, die meisten seien nur noch für „punktuelles Engagement“ zu mobilisieren. Dieser Prognose zum Trotz setzen viele Pazifisten jetzt auf die Unterstützung der Globalisierungskritiker. Das Netzwerk Attac ruft erstmals zu Ostermärschen auf und will frischen Wind in die Aktionen bringen, sagt Sprecher Sascha Kimpel. Die Analyse der neuen, globalen Weltordnung und der Nord-Süd-Konflikte soll die Friedensbewegung runderneuern.

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