Israel besetzt Arafats Zentrale

Nach verheerendem Selbstmordattentat in israelischer Küstenstadt kontrollieren israelische Soldaten Teile des Hauptquartiers von Jassir Arafat in Ramallah und erklären den Palästinenserpräsidenten zum „Feind Israels“. Arafat spricht von Todesdrohung

RAMALLAH/JERUSALEM dpa/ap ■ Mit einer Großoffensive hat Israel gestern auf die jüngsten verheerenden Palästinenser-Anschläge geantwortet. Truppen rückten am Morgen mit Panzern in die Autonomiestadt Ramallah ein und besetzten große Teile des Amtssitzes von Palästinenserpräsident Jassir Arafat, der in einem Bunker Zuflucht suchte. Israels Ministerpräsident Scharon erklärte Arafat offiziell zum „Feind Israels“. Die Bekämpfung des Terrors werde künftig die israelische Armee selbst in die Hand nehmen. Die Armee rief zur Teilmobilisierung von zunächst 20.000 Reservisten auf.

Mit der Offensive reagierte Israel vor allem auf den Anschlag vom Mittwoch in Netanja, bei dem 22 Menschen getötet und 130 verletzt wurden, die gemeinsam Pessach feiern wollten. Nach einer Nachtsitzung des Kabinetts sagten Scharon und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser, Arafat solle „völlig isoliert“ werden, weil er sich weigere, den Terrorismus zu bekämpfen. Allerdings plane man nicht, Arafat persönlich zu verletzen oder gar zu töten. Die Offensive soll laut Scharon „mindestens mehrere Wochen“ andauern. Es seien „Einsätze von bisher nicht da gewesenem Ausmaß“ geplant.

Israelische Panzer richteten nach palästinensischen Angaben schwere Zerstörungen an Arafats Amtssitz in Ramallah an. Mit Ausnahme der persönlichen Büros Arafats und der Wohnungen kontrollierte die Armee den gesamten Komplex. In den Gebäuden wurden mindestens 70 Palästinenser festgenommen. „Sie wollen mich verhaften oder ins Exil schicken oder töten“, sagte Arafat telefonisch dem arabischen TV-Sender al-Dschasira. „Möge Gott uns zu Märtyrern machen.“ Mindestens fünf Palästinenser und ein Israeli wurden gestern in der Stadt Ramallah getötet. Die Armee verhängte eine Ausgangssperre.

Arafat hatte noch am Donnerstagabend versucht, die Armeeoffensive durch Ausrufung einer einseitigen Waffenruhe zu verhindern. Israel wies dies jedoch als „zu wenig und zu spät“ zurück. Die Offensive erfolgte nach dem Ende des Beiruter Gipfeltreffens der Arabischen Liga, auf dem ein Friedensplan verabschiedet wurde.

Am Freitagmorgen wurden bei Nezarim im Gaza-Streifen zwei Israelis von militanten Palästinensern erstochen. Am Nachmittag sprengte sich vor einem Westjerusalemer Einkaufszentrum eine junge Palästinenserin in die Luft und tötete mindestens zwei Menschen, während 28 Passanten zum Teil lebensgefährlich verletzt wurden.

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