„Ich bin eine dieser neuen Gestalten“

■ Revolution im Nordwesten. Im Wahlbezirk Unterems tritt die Nachfolge des CDU-Heroen Rudolf Seiters zur Bundestagskandidatur eine Frau an: Gitta Connemann. Ein Porträt

Frau, geschieden, jung, protes-tantisch, ostfriesisch und intelligent, mehr Pech kann einem innerhalb der CDU allgemein und im Wahlbezirk Unterems im Besonderen nicht an den Füßen kleben. Trotzdem wurde die 37-jährige Leeraner Rechtsanwältin Gitta Connemann im Januar dieses Jahres mit überwältigender Mehrheit zur CDU-Bundestagskandidatin für diesen Wahlbezirk gewählt. Eine Sensation.

Im Wahlbezirk 26 Unterems sind die meisten Wählerstimmen nämlich im ostfriesisch-protestantischen Teil zu holen. Die meisten CDU-Stimmen und -Mitglieder aber gibt es im emsländisch-katholischen Teil. Eine der größten emsländischen, katholischen Wehrkirchen steht seit Jahrhunderten in Papenburg, nahe der ostfriesischen Grenze. Diese wurde von den Katholen hier und den Evangelen dort nur selten überschritten. Und wenn, dann um sich gegenseitig zu verprügeln.

Warum machten aber die emsländischen CDUler in einer Urabstimmung die mit allen Klischees brechende Connemann, nicht aber ihre heimischen Kandidaten zur Nachfolgerin des Papenburger Übervaters, Ex-Innenministers, Ex-Kanzleramtsministers und aktuellen Vizepräsidenten des Bundestages, Rudolf Seiters?

„Ich war mutig, risikobereit und kompetent“, erklärt die 1964 geborene Rechtsanwältin, die auch eine Lehre als Schuhverkäuferin absolviert hat, knapp. Immerhin wäre sie die erste Frau aus dieser Gegend im Bundestag.

Connemanns Eintritt in die Politik 1996 hat die Gelenke der CDU-Altherrenriege vor Ort ganz schön knacken lassen. Denn anstatt einfach nur im Hintergrund Strippen zu ziehen, riss Connemann im morschen CDU-Gebäude die Fenster auf. Frauen und die Junge Union waren begeistert. In den Samtgemeinderat Hesel ließ sie sich noch im Doppelpack mit ihrem Vater, dem ehemaligen ostfriesischen Bauernpräsidenten und jetzigen Vize der Landwirtschaftskammer Weser Ems, wählen. Für den Kreistag in Leer trat sie dann alleine an. Und wurde mit einem der besten CDU-Ergebnisse aller Zeiten gewählt.

„Nachdem ich wusste, dass ich in Ostfriesland meinen Lebensmittelpunkt haben würde, wollte ich auch echte Verantwortung übernehmen und Entscheidungen beeinflussen“, erklärt Connemann.

Böse Stimmen raunen, sie sei nur als U-Boot für die Landwirtschaft in den politischen Gremien aufgebaut worden. „U-Boot hört sich verboten an, ich rausche lieber unter vollen Segeln“, sagt dazu die Bauerstochter.

Bis vor kurzem war sie Rechtsvertreterin des Arbeitgeberverbandes Landwirtschaft und Genossenschaften Weser Ems. Und sie hatte sich einen Namen als Referentin über soziale Probleme in der Landwirtschaft gemacht. „Meine Heimat ist die CDU als kleineres Übel. Mit ihren Grundwerten und der sozialen Marktwirtschaft stimme ich aber voll überein.“

Die Grünen watscht sie ab: „Die CDU will auch an die Macht, aber nicht unter Verlust ihrer Identität.“ Die SPD bekommt einen Kinnhaken: „Sozial, das darf kein Schummeletikett für knallharte Besitzstandswahrung nur einer Bevölkerungsschicht sein. Auch Arbeitslose, Alleinerziehende und Alte haben ein Recht auf soziale Unterstützung.“ Und was ist mit der Antiquität der „Familie als Keimzelle der Gesellschaft“? Connemann: „Ich habe Familie als einen solchen wertvollen Ort erlebt. Dazu stehe ich, auch politisch. Aber es gibt daneben auch andere soziale Erscheinungsformen.“ Frau Connemann zum Beispiel: „Ich selbst bin allein stehend. Ich bin eine dieser neuen Gestalten, für die die CDU moderne Gesellschaftsentwürfe anbietet.“

Nach ihrem Einzug in den Leeraner Kreistag und ihrer nachfolgenden Wahl zur Kreisvorsitzenden organisierte Connemann Podiumsdiskussionen, eröffnete ein Bürgerbüro und etablierte einen Frühlingsempfang der CDU. Ihr Markenzeichen, ein strahlendes Lächeln, schaltet sie nicht nur bei blitzenden Kameras ein.

Ihr liberales Image bekam allerdings einen Knick, als sie sich beim Hessen-Wahlkampf aktiv in die Unterschriftenaktion gegen eine doppelte Staatsbürgerschaft für Ausländer einklinkte. Heute umschreibt sie ihren politischen Standort diplomatisch: „Wir haben mit Edmund Stoiber und Angela Merkel eine ideale Doppelspitze. Ich verwahre mich dagegen, dass Stoiber in die rechte Ecke gerückt wird. Die CSU ist für mich eine klassische Volkspartei.“

Sollte sich die CDU öffnen, um aus dem rechten Lager Wähler abzuziehen? „Nein“, sagt Connemann klipp und klar. In Leer war sie eine der Ersten, die den Rücktritt eines antisemitisch und rassistisch pöbelnden Lokalpolitikers forderte. Bleibt ihr politisches Profil in der großen Politik noch unscharf, so hat sie im Lokalen Drang zur Lösung von Problemen gezeigt. Auch, wenn es manchmal zum Schrecken ihres Fraktionschefs besser mit dem politischen Gegner klappte.

Im Prinzip hatte sich Gitta Connemann bereits 2001 das Karriere-Genick gebrochen. Wegen Differenzen um die Nominierung eines geeigneten CDU-Landtagskandidaten trat sie von allen politischen Ämtern zurück. „Ich habe mich damit aber nicht aus der Politik verabschiedet“, begründet sie, warum sie zu den Kommunalwahlen doch wieder antrat. Zum Schrecken der Betonriege in der eigenen Partei erzielte sie das beste CDU-Wahlergebnis überhaupt. Ihr Kommentar: „Ich nahm das als persönliche Bestätigung meiner bisherigen Arbeit.“

Nach ihrer Nominierung zur Bundestagskandidatin wird Gitta Connemann ihren Wahlkreis, wie einst Seiters, direkt gewinnen müssen. Eine Absicherung über die Landesliste ist nicht sicher. „Ich wollte nie mit meiner politischen Karriere durchstarten, auch im Lokalen wäre ich sehr zufrieden“, sagt Gitta Connemann. Und wenn es doch nichts wird mit Berlin? Reizt sie ein Ministerposten in einer CDU-Regierung Niedersachsens? Gitta Connemann schweigt – und lächelt selbstbewusst.

Thomas Schumacher