„Fluktuationserhöhende Maßnahmen“

■ Im Amt für Soziale Dienste brodelt es / Zwang zu Personaleinsparungen drückt aufs Arbeitsklima / MitarbeiterInnen ohne Motivation / Grüne wollen es jetzt genau wissen

Alles sollte besser werden, bürgernäher, service-orientierter, schneller und vor allem: motivierter. Mit dem Umbau der bisher vier Sozialämter in zwölf Sozialzentren als Anlaufstelle für HilfsempfängerInnen in den Stadtteilen sollte die verkrustete Sozialverwaltung in Schwung gebracht werden. Doch so schwungvoll wie angekündigt scheint hier längst nicht alles zu laufen. Deshalb hat die grüne Bürgerschaftsfraktion jetzt eine Anfrage an den Senat gestellt: zur Situation in den Sozialzentren. Die Grünen wollen wissen, wie viel Stellen in den Sozialzentren vorgesehen sind, wie viele davon besetzt sind oder wie die MitarbeiterInnen für ihre neuen, oft umfassenderen Aufgaben geschult werden. Ferner fragen die Grünen nach den Öffnungszeiten für unangemeldete Besucher.

Die Bürgerschaftsabgeordneten Karoline Linnert und Anja Stahmann wissen, warum sie all diese Fragen – insgesamt sind es 18 – vom Senat beantwortet bekommen wollen: Im Amt für Soziale Dienste nämlich brodelt es. Die Mitarbeiter seien demotiviert wie nie, sagen Insider. Denn was den Menschen hier vor allem zu schaffen macht, ist der Zwang zum Sparen. Laut dem so genannten „Personalentwicklungsplan“ (PEP), der allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung Stelleneinsparungen in bestimmten Fris-ten auferlegt, muss das Amt für Soziale Dienste in den kommenden drei Jahren mehr als 100 Stellen einsparen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden in Führungsrunden gar „mobilitäts- und fluktuationserhöhende Maßnahmen“ – so heißt es in einem internen Papier, das der taz vorliegt – erörtert. Offiziell geht es vor allem darum, „herauszufinden, für welche – lebensälteren – Kolleginnen und Kollegen es konkret in den nächsten Jahren eine Lebensplanung außerhalb des so genannten aktiven Berufslebens geben könnte“, so heißt es in einer Einladung zur Personalversammlung, die Amtsleiter Jürgen Hartwig Anfang März einberufen hatte. Doch nicht nur Altersteilzeit oder Vorruhestand sollen der „Fluktuationserhöhung“ dienen – Kenner der Amtsszene berichten gar von gezieltem Mobbing.

Nicht nur die Grünen beobachten den Prozess im Amt für Soziale Dienste mit Misstrauen. Auch Beratungsstellen für SozialhilfeempfängerInnen registrieren die Veränderungen im Amtsnetz genau. So sagt Margot Müller von der Solidarischen Hilfe: „Es war versprochen worden, dass mit den Sozialzentren alles besser werden sollte. Das ist so nicht eingetreten.“ Das Sozialzentrum Hemelingen sei eine ganze Woche geschlossen gewesen, wegen Mitarbeiterschulung. Und offene Sprechzeiten ohne vorherige Terminvereinbarung gebe es immer noch nicht – ein Unding, findet Müller. „Es ist doch unmöglich, dass ausgerechnet das Amt für Soziale Dienste, wo es um teilweise sehr dringende Probleme geht, keine Sprechzeiten hat.“

Was die Umstrukturierung letzt-endlich bewirkt, kann Margot Müller noch nicht bewerten. Aber sie ist sicher, dass es für Hilfsbedürftige bestimmt nicht besser wird. „Dafür sorgen schon die Sparbeschlüsse. Die schlagen in der Bewilligungspraxis voll durch.“ So werde, während rundum alles teurer wird, Sozialhilfeempfängern das Kleidergeld gekürzt.

Höchst skeptisch beobachtet sie auch den Druck auf Hilfeempfänger, eine Arbeit anzunehmen. „Denn da geht es oft um Arbeiten, für die kaum Qualifikation nötig ist, die keine Perspektive bieten und so schlecht bezahlt sind, dass die Menschen noch unterm Sozialhilfesatz liegen.“

Von wegen Faulheit, sagt Müller und holt nochmal aus: „Wo es gute Arbeit gibt, da hauen sich die Leute drum.“

Susanne Gieffers