Wie die Landung auf dem Mond

Die Fußballfrauen des 1. FFC Frankfurt stehen im Halbfinale des Uefa-Cups. Der erfreut sich großer Anerkennung

Das Frankfurter Starensemble steht in seinem Zenit – und es weiß das auch

FRANKFURT taz ■ Zum Aufwärmen ein kleines Ratespiel ohne Joker: Von wem stammt der Spruch: „Das Leben ist zu kurz, um zum Frauenfußball zu gehen“? Von einem Deutschen, einem Franzosen oder einem Engländer? Falsch, das sagt man in Dänemark. Berichtet jedenfalls Asger Torning, Teamchef von Odense BK, Abteilung Frauen. Analog zu den Windmühlen in Dänemark sind auch die Flügel groß, gegen die er und der Frauenfußball in Dänemark zu kämpfen hat. Und obwohl die nördlichen Nachbarn nichts mehr hassen als deutsche Oberlehrer, tat sich Herr Torning mit seinem Kompliment nach dem Viertelfinalrückspiel seiner Mannschaft im neuen Uefa-Cup für Frauenfußball beim deutschen Meister 1. FFC Frankfurt ausnahmsweise nicht schwer: „Mein deutscher Wortschatz ist begrenzt, da fällt mir nur ‚toll, imponierend‘ ein.“

Gemeint waren die 2.700 Zuschauer im gut gefüllten Stadion am Brentanobad, die nach dem 3:0-Hinspielerfolg jetzt den 2:1-Sieg feierten. Gemeint war aber auch der Presseauftrieb mit einem halben Dutzend Printjournalisten und TV-Teams von ZDF und Hessischem Fernsehen. Auf die Dänen muss das gewirkt haben wie eine Frauenfußball-Präsentation vom anderen Stern, zumindest gemessen am Szenario 14 Tage zuvor. Da wirkte die Ankunft des 1. FFC per Jet in Odense wie die Landung auf dem Mond – und die Frankfurter staunten ebenfalls: „Wie, keine Plakate in der Stadt, wo sind die PR-Banner an den Brücken, wann ist die Pressekonferenz, vielleicht kann man noch einen Zeppelin organisieren, warum spielen die Frauen auf dem Nebenplatz?“ Die Dänen taten sich schwer mit Antworten auf Fragen, die sie sich selbst nie gestellt hatten.

Für einen Moment durfte man befürchten, dass der Europapokal für Frauen nur eine weitere Soloveranstaltung der Frankfurter Musterschülerinnen ist, die in ihrer eigenen Scheinwelt leben. Wenn da nicht erstaunliche Meldungen aus den anderen Viertelfinalspielen durchgesickert wären: In Umea in Nordschweden hatten sie zuerst den Platz vom Schnee befreit, dann daraus fünf Meter hohe Naturtribünen gebaut, damit sich 2.000 abgehärtete Nordmänner und -frauen bei minus fünf Grad die völlig unbekannte russische Mannschaft TNK Ryazan anschauen konnten. In London brachte die nicht gerade als Speerspitze des Frauenfußballs geltende Times eine ganzseitige Vorschau zur Partie Arsenal London gegen FC Toulouse, während beim Rückspiel in Frankreich 3.500 Einheimische ihre équipe féminine zum 2:1-Sieg in der Verlängerung nach vorne gebrüllt haben. Auf eine solche Erfahrung darf jetzt auch der 1. FFC im Halbfinale gespannt sein, am 14. April ist das Hinspiel in Toulouse, am 28. wird in Frankfurt gespielt. Da könnte das Stadion mit 5.000 Zuschauern möglicherweise ausverkauft sein.

Die Wahrheit über den Europapokal der Fußballfrauen liegt also irgendwo zwischen Lappland und den Pyrenäen, auf jeden Fall aber auf dem Platz. Schließlich hat Fußball im Wesentlichen mit der Ungewissheit darüber zu tun, wer am Ende gewinnt. Daran krankt aber die Bundesliga, wo man 90 Prozent der Ergebnisse voraussagen kann und die deshalb, im Gegensatz zu einer EM, nur selten Zuschauer hinterm Ofen oder vom Balkon lockt. Da bietet der Uefa-Cup ganz andere Kost. Spielerischen Glanz und Tempo auf Nationalmannschaftsniveau, und keiner weiß, wie’s ausgeht. Selbst der bislang glatte Durchmarsch der Frankfurterinnen war nicht so locker, wie es aussieht: In der Vorrunde musste sich der FFC gegen den spanischen Meister Valencia beim knappen 1:0 mit allen Mitteln wehren, und das Weiterkommen gegen Odense lag weniger an der dänischen Schwäche denn an der derzeit überragenden Form des Frankfurter Starensembles, das diese Saison in seinem absoluten Zenit steht und dies auch weiß.

Wer alles gewonnen hat, was es in Deutschland zu gewinnen gibt, der holt sich den echten Kick jetzt im Europapokal. Die Frankfurter Diven um Trainerin Monika Staab ernten nach Jahren harter Arbeit und einem Lohn, zu dem keine Putzfrau arbeiten würde, jetzt die Früchte – und sie genießen es, zumal Steffi Jones und Birgit Prinz danach in die US-Profiliga wechseln. Das Geschenk zum Abschied können sie sich mehr oder weniger selbst machen, die Chancen dafür scheinen gut zu stehen: Das Uefa-Cup-Finale findet am 23. Mai im Frankfurter Waldstadion statt. MATTHIAS KITTMANN