Friedenskampf auf schwierigem Terrain

Die Jüdin Neta Golan lebt in Ramallah. Dort setzt sie sich für eine Aussöhnung zwischen Juden und Palästinensern ein

„Dieses Land gehört euch nicht, ihr seid hier nicht erwünscht, geht zurück nach Hause.“ So tönt es israelischen Soldaten an vielen Orten der besetzten Gebiete entgegen – auf Hebräisch. „Die Soldaten wundern sich immer wieder, wenn ich in ihrer Sprache mit ihnen rede“, sagt Neta Golan. Beeindrucken lassen sie sich davon aber nicht: Tränengas und Knallgranaten fliegen. „Das geht noch. Wenn wir nicht dabei sind, schießen sie scharf“, meint Golan.

„Wir“, das ist das International Solidarity Movement (ISM), eine von Palästinensern geleitete Gruppe. „Wir organisieren friedliche Demonstrationen und laden dazu israelische und ausländische Friedensaktivisten ein“, sagt Golan, die fließend Arabisch spricht. Protestiert wird meist gegen israelische Checkpoints und jüdische Siedlungen in den besetzten Gebieten. „Aber es dauerte lange, bis ich so weit war.“

Als 17-Jährige riss die gebürtige Tel Aviverin erst einmal von zu Hause aus, weil der Wehrdienst vor der Tür stand. „Ich wollte an der Besatzung nicht teilnehmen und bin nach Kanada abgehauen.“ Aber nach zwei Jahren wurde das Heimweh zu groß und sie zog wieder nach Israel, zu ihren Eltern, orthodoxen Juden, nach Tel Aviv. Zur Armee musste sie dann doch nicht. „Ich habe denen von meinen politischen Ansichten erzählt, und sie stellten mich vor die Wahl.“ Sie lehnte dankend ab, studierte chinesische Medizin und arbeitete anschließend als Heilpraktikerin.

Gleichzeitig dachte sie über Wege nach, „die von uns unterdrückten Palästinenser zu unterstützen. Viele Israelis haben ja keine Ahnung, was in den besetzten Gebieten passiert und was unsere Armee dort anrichtet.“ Deshalb organisierte sie zunächst Dialogprogramme, später alternative Touren für Israelis in palästinensische Ortschaften. Zunächst musste sie aber erst ihre eigene Angst vor den Palästinensern überwinden. „Jedem Israeli wird eingetrichtert, dass die Palästinenser alle Juden umbringen wollen“, sagt Golan. „Ich hatte jedes Mal Angstanfälle, aber es waren immer alle freundlich zu mir.“

Nach dem Beginn des palästinensischen Aufstandes vor 18 Monaten weitete sie ihren Feierabendaktivismus aus und zog nach Ramallah. Ein besonderes Anliegen ist ihr das Dorf Hares bei Nablus. „Die Gegend ist unter israelischer Kontrolle. Die Leute sind wehrlos und werden regelmäßig von den bewaffneten jüdischen Siedlern der Umgebung angegriffen.“ Drei palästinensische Freunde Golans sind dort von Soldaten erschossen worden. „Mein schlimmstes Erlebnis war, dort später auf den Mörder eines fünfzehnjährigen Bekannten zu treffen. Er war stolz auf seine Tat.“

Golan wurde bei friedlichen Protestaktionen schon mehrfach festgenommen. Im letzten Jahr brachen ihr israelische Polizisten auf einer Demonstration gegen einen Siedlungsneubau den rechten Arm, aber sie kam am nächsten Tag trotzdem wieder. „Israel wird von einem Kriegsverbrecher angeführt, der nur an militärischen Lösungen interessiert ist und die besetzten Gebiete ethnisch säubern will.“ Golan beklagt die ausbleibende Einmischung der internationalen Gemeinschaft. „Und in Israel können sich die Leute zurücklehnen und abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Die Palästinenser haben aber keine Zeit mehr, zu warten.“ PETER SCHÄFER