Kriegsgespräche im Café

Araber fühlen sich hilflos angesichts der Vorgänge in Palästina. Der Hass auf Israelis wächst

KAIRO taz ■ Gut zwei Dutzend Männer sitzen in dem kleinen Straßencafé im Kairoer Zentralbezirk Dokki, schlürfen Tee und ziehen in regelmäßigen Abständen an ihren Wasserpfeifen. In manchen Ecken klackern die Würfel über die hölzernen Backgammonspiele. Jede volle Stunde kommt Bewegung in die ansonsten entspannte Atmosphäre. Jemand dreht den Fernseher auf volle Lautstärke. Es beginnen die Nachrichten der unabhängigen arabischen Fernsehstation al-Dschasira. Live berichten deren Korrespondenten aus den palästinensischen Gebieten: wie die israelischen Truppen in Ramallah von Haus zu Haus ziehen und alle männlichen Jugendlichen verhaften. Augenzeugen sprechen von Exekutionen im Inneren der Häuser, und die Kamera bewegt sich langsam auf eine blutbespritzte Tür zu.

Die Steine der Backgammonspiele knallen um einiges lauter auf das Brett. „Da frisst der israelische Wolf ein palästinensisches Huhn“, beschreibt der Bauingenieur Muhammad Mahmud seinen Eindruck von einem ungleichen Kampf, den er als Demütigung empfindet. „Wenn ich das sehe, zerreißt mein Herz“, sagt sein Nachbar, der Autohändler Amr Alem. Das schlimmste sei, so alle übereinstimmend, vollkommen machtlos zu sein.

Al-Dschasira berichtet von den jüngsten palästinensischen Selbstmordanschlägen. Früher, sagt der Bauingenieur Muhammad, habe er immer gedacht, auch Israelis seien Menschen, die in Frieden leben wollen mit Familien und Häusern wie die Araber. Das falle ihm immer schwerer. „Wenn man keine angemessenen Waffen hat, um sich zu verteidigen, dann leistet man Widerstand mit dem, was man hat“, rechtfertigt er seinen Sinneswandel. Der 26-jährige Omar, der fließend Deutsch spricht, eine Zeit lang bei C&A in Deutschland gearbeitet hat, Wirtschaft studiert und sich mit gelegentlichen Jobs durchschlägt, stimmt zu. Er kenne viele Israelis. Als Tauchlehrer hat er mit einigen früher an den Korallenriffen des Roten Meers gearbeitet. „Ich möchte mir manchmal selber eine Bombe umhängen und mich mit ihnen in die Luft jagen“, sagt er.

Hischam Eissa ist ein junger Arzt. Fünf Jahre hat er in Tel Aviv gelebt. Sein Vater war Konsul an der ägyptischen Botschaft dort. Damals nannte er auch ein paar Israelis seine Freunde. Aber auch er sagt heute, dass er sich mit jedem palästinensischen Anschlag besser fühle. Er sei grundsätzlich gegen Terrorismus. Die Anschläge vom 11. September verurteile er zutiefst. Doch heute gebe es für ihn keine unschuldigen Israelis mehr.

Ihr Heimatland kann realistischerweise wenig unternehmen, da sind sich fast alle einig. Einige wollen auf eine Demonstration vor der Kairoer Universität gehen. Sie fordern dort, dass ihre Regierung die diplomatischen Beziehungen mit Israel endgültig abbricht. Vor 22 Jahren hatte Ägypten als erstes arabisches Land mit Israel einen Friedensvertrag unterzeichnet. Trotz diplomatischer Beziehungen war das ägyptisch-israelische Verhältnis stets kühl geblieben. Im November 2000 hatte Kairo dann seinen Botschafter aus Tel Aviv zurückberufen. In Kairo residiert immer noch ein israelischer Botschafter. Er müsse nach Hause geschickt werden – darin sind sich die Cafébesucher einig. Dann hätten die Leute wenigstens das Gefühl, dass ihr Land etwas unternimmt.

Sowohl bei der Regierung in Kairo als auch in Jordanien, dem zweiten arabischen Staat, der Beziehungen zu Israel unterhält, wird Derartiges derzeit erwogen. Doch welcher Schritt nach dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen noch unternommen werden könnte, darüber herrscht Ratlosigkeit im Kairoer Café. Immer wieder wird das Wort „Krieg“ in den Mund genommen. Aber, so gibt ein Augenarzt unter Zustimmung der anderen zu bedenken: „Wir denken mehr mit dem Bauch und dem Herzen als mit dem Kopf; es ist gefährlich, über Krieg zu sprechen.“ „Warum sollte ich für die Palästinenser in den Krieg ziehen? Schließlich ist nicht mein Land besetzt“, gibt der Arzt Hischam zu bedenken. Die jungen Männer im Kairoer Café sind, anders als ihre Väter, realistisch genug, nicht zu sehr an die große arabische Einheit zu glauben. Wenn Gott dir den Sieg gibt, kann dich niemand schlagen“, steht über dem Eingang des Cafés. Was den Gästen bleibt, ist ein Gefühl der Ohnmacht. Vielleicht hält sich so mancher Kaffeehausbesucher an den Vorschlag, der per Ketten-SMS auf zahlreichen Kairoer Handys erscheint. „Bete für die Palästinenser und dafür, dass Gott als Zeuge für diese Ungerechtigkeit Ariel Scharon zur Rechenschaft zieht.“KARIM EL-GAWHARY