Drogenhilfe als Awo-Selbsthilfe

■ Mitarbeiter fordern von der Behörde endlich die Übertragung ihrer Drogenhilfe-Projekte auf den neuen Träger / Bremer-Hilfe- und Awo-Chef V.Tegeler wird angeklagt

Am kommenden Freitag werden die „Kostenträger“, die vom Verein Bremer Hilfe zur Selbsthilfe e.V. um Zuschüsse betrogen worden sind, mal wieder zusammensitzen – auf einen Tag genau ein Jahr nach einer Sitzung, auf der sie die Zusammenarbeit mit dem Verein aufgekündigt hatten. Die Drogenhilfe-Projekte des Vereins sollten einem anderen Träger übertragen werden, so der Beschluss damals. Aber sie arbeiten immer noch zusammen – die Übertragung der Projekte auf den neuen Träger – Therapiehilfe Hamburg –, die längst beschlossen und für den 1.1.2002 geplant war, hat immer noch nicht stattgefunden. „Die Mitarbeiter wollen endlich wieder klare Strukturen haben für ihre Arbeit“, sagt Betriebsrätin Marion Backhaus. Zwei der Projekte, „Regenbogendruck“ und „Baustein“, wurden inzwischen geschlossen, die verbliebenen Mitarbeiter entlassen. Beim Therapiehof Loxstedt ist die Stelle der therapeutischen Leitung vakant und kann nicht neu besetzt werden, solange der neue Träger nicht handlungsfähig ist. Um eine akute Insolvenz zu vermeiden, ist die Bremer Sozialbehörde mit Zwischenkrediten eingesprungen. „Warum die Übergabe jetzt weiter verzögert wird, ist nicht transparent für uns“, sagt die Belegschaftsvertreterin Backhaus.

Offenbar ist das für den Staatsrat Arnold Knigge, der das Treffen der „Kostenträger“ leitet, auch nicht transparent. Er jedenfalls erwartet sich von dem Treffen am Freitag Aufschluss darüber, warum die Übertragung seiner Projekte noch nicht vollzogen ist.

Im Hintergrund geht es um die Rückzahlungen der Gelder, die der Verein „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“ bei verschiedenen Trägern doppelt beantragt und kassiert hat. Gegen den Vorsitzenden des Vereins, Volker Tegeler, liegt seit einigen Monaten eine 15 Seiten dicke Anklageschrift vor. In 15 Fällen wird ihm und seinem Geschäftsführer Klaus Dyck „Betrug“ vorgeworfen, also doppeltes Kassieren von Zuschüssen für dieselbe Sache, in einem Fall Untreue. Der Fall betrifft die inzwischen geschlossene Regenbogen-Druckerei: Die Bremer Hilfe „kaufte“ für diese Druckerei eine gebrauchte Druckmaschine und überwies die fälligen 85.000 Mark. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft haben bestätigt, dass es diese Druckmaschine aber gar nicht gab. Wieso, könnte man fragen, bezahlt ein Verein, der sich sozialen Aufgaben verpflichtet fühlt, eine derartige Summe für nichts? Die Lösung des Rätsels könnte in dem Adressaten der Zahlung liegen: Volker Tegeler, Vorsitzender des Vereins „Bremer Hilfe zur Selbsthilfe“, ist im Hauptberuf Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven. Und die Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven hat die 85.000 Mark auf ihr Konto bekommen. „Untreue“ war der Vorgang für die Bremer Regenbogen-Druckerei, nicht für die begünstigte Awo Bremerhaven – vermutlich hat aus diesem Grund und, weil Geld bekanntlich nicht stinkt, die Awo Bremerhaven bisher keine Konsequenzen aus dem Vorgang gezogen.

Während im Falle der Awo aber klar ist, dass das Geld nach einer rechtskräftigen Bestätigung der Ermittlungsergebnisse der Staatsanwaltschaft zurückgezahlt werden muss, sieht es mit der Rückzahlungsfähigkeit des Vereins Bremer Hilfe zur Selbsthilfe aber schlechter aus. Zwar hatte der Verein im Verlaufe der Jahre einen gewissen Bestand an Immobilien gekauft, die sind aber weniger Wert als die Jahresabschlüsse des Vereins vermerkten. Der neue Träger der Projekte, die Therapiehilfe Hamburg, wird gleichzeitig darauf bedacht sein, dass ihm nicht die Altschulden aus der halbseidenen Vergangenheit der Bremer Selbsthilfe aufgebürdet werden.

Da die Hamburger einen sehr guten Ruf haben, warten die Mitarbeiter darauf, dass ihre Arbeit endlich unter ein solides und fachlich ausgewiesenes „Dach“ kommt. Ihre Angst ist, dass es „trotz anderslautender politischer Zusagen“ doch nicht zu einem „geordneten Übergang“, sondern zu einem Insolvenzverfahren kommt, formulierten sie gestern in einer Pressemitteilung. Wer das verhindern soll? „Klar, Staatsrat Knigge“, sagt die Betriebsrätin. Aber der ist derzeit selbst „unzufrieden“ und „weiß nicht, woran es hakt“, sagt seine Pressesprecherin. K.W.