Ein Fass ohne Boden

Der Fall Bankgesellschaft: Warum Senat und Abgeordnetenhaus die Risiken eines Bankkonzerns übernehmen und möglicherweise Milliarden Euro Verluste machen wollen. Berliner können noch in 30 Jahren unter den Folgen leiden

Risikoabschirmung. Das Wort klingt harmlos, nachgerade positiv. Wer hat schon etwas einzuwenden gegen die Abschirmung von Risiken, die das (Arbeits-) Leben – Unfall, Krankheit, Arbeitslosigkeit – mit sich bringt. Aber bei der schwerwiegendsten Entscheidung, die das Abgeordnetenhaus nächste Woche in dieser Legislaturperiode zu treffen hat, geht es nicht um die Renaissance des Sozialstaats – im Gegenteil. Soll doch die Allgemeinheit, das Land Berlin, für immense potenzielle Verluste (Risiken) eintreten, die ein teilweise privater Bankkonzern verursacht hat. Der finanzielle Spielraum der hochverschuldeten Stadt wird dadurch noch enger; empfindliche Sparmaßnahmen sind die Folge, gerade im sozialen Bereich.

Wie konnte es dazu kommen? Mitte der Neunzigerjahre schlossen sich mehrere Berliner Finanzinstitute zur Bankgesellschaft zusammen, die aus öffentlich-rechtlichen und privaten Teilen besteht. Haupteigner blieb das Land Berlin. Die Idee: Region und Politik könnten mit einer solchen starken Bank noch mehr vom wirtschaftlichen Boom profitieren, den die neue alte Hauptstadt erwartete.

Um schnell im Konzert der großen Banken mitspielen zu können, legte die Bankgesellschaft unter anderem für die Anleger sehr lukrative Immobilienfonds auf. Mit solchen Fonds werden Immobilienprojekte realisiert, die Anleger profitieren – wenn alles gut geht – von der Wertsteigerung der Gebäude. Die Bankgesellschaft lockte jedoch mit besonders günstigen Konditionen, übernahm zum Teil sogar Risiken der Anleger, frei nach dem Motto: Was soll schon schief gehen?

So ziemlich vieles. Die Immobilien, vor allem in Berlin und den neuen Bundesländern, entwickelten sich auf Grund einer falschen Geschäftspolitik und der Wirtschaftsflaute lange nicht so wie erhofft, die Bank musste immense Verluste hinnehmen. Das brachte sie im vergangenen Jahr an den Rand des Ruins, als das Land 1,75 Milliarden Euro in den Konzern schießen musste.

Jetzt soll die Bank saniert und anschließend verkauft werden. Die Risiken will allerdings niemand haben – deshalb soll Berlin einspringen, das zurzeit mehr als 80 Prozent der Bankanteile hält. Springt Berlin nicht ein, droht wieder die Pleite der Bank, die dem Land aufgrund diverser Verflechtungen am Ende noch teurer zu stehen kommen könnte, als die Risiken in Höhe von rechnerisch mehr als 20 Milliarden Euro zu übernehmen – das entspricht in etwa einem Jahreshaushalt.

Die tatsächlichen Verluste dürften sich nach Expertenschätzungen zwischen 3 und 10 Milliarden Euro bewegen. Vorhersehbar ist das allerdings kaum, da niemand weiß, wie sich der Immobilienmarkt in 10 Jahren oder 30 Jahren entwickelt haben wird. Am Ende könnte alles also noch teurer werden – wer sollte sich schließlich noch nachdrücklich um eine Wertsteigerung der verlustreichen Immobilienobjekte kümmern, wenn die Berliner und Berlinerinnen sowieso zahlen? RICHARD ROTHER