american pie
: Samstags in den Staaten

Goodbye, FC Bayern

Es gibt da einen Tag in der Woche. Der ist anders als alle anderen. Ganz anders. An dem freut man sich beim Aufstehen, dass man aufstehen darf. Aaah: Samstag. Diese Welt ist erstaunlich. So viel kann passieren. Alles ist möglich. Sogar, dass die Bayern verlieren. Und wenn es ganz gut läuft: Kaiserslautern und Cottbus auch. Und der SC Freiburg endlich wieder gewinnt. Und wenn der VfR Aalen heute eine Siegesserie startet, dann kann er vielleicht doch noch …

Aaah. Fußball. Bundesliga!

Man freut sich doch eigentlich, ohne dass man es weiß, die ganze Woche auf den Samstag. Und den ganzen Samstag auf den Nachmittag, an dem man ins Stadion geht oder Radio hört. Und auf den Abend, wahrscheinlich sogar auf Sat.1. Und wer richtig Glück hat und also kleine Kinder, der kann abends nicht weg und darf sogar das ZDF-Sport-Studio anschauen.

Doch dann der Schock. An bestimmten Orten dieser Welt ist alles anders. Wenn man zum Beispiel an der Westküste Amerikas lebt und ganz normal um 9 aufsteht – sind die Bundesligaspiele schon 45 Minuten zu Ende. Eigentlich logisch. Nur dass mal wieder keiner vorher daran gedacht hat. Beziehungsweise doch. Aber wo ist das Problem? Schließlich gehört zu den unvergessenen Höhepunkten der Reisen aus zwei Jahrzehnten jener Sonntag nach einem letzten Bundesligaspieltag, als man für 4,75 Dollar die New York Times erwarb, nur um die drei Zahlen – 0, 1 und 2 – zu lesen. Und zwar so: Unterhaching 2, Leverkusen 0. 1. Bayern München. Das war jeden Cent wert. Das brauchte keine Bilder, keine Nähe, keine Worte. Das kitzelt heute noch.

Und jetzt hat man sogar einen Computer. Also: Man wacht auf. Man denkt: Aah Samstag! Man schaltet ein und geht auf www.kicker.de. Warten. Dann: Oh. Oooh. Ruf nach hinten. „Willst du wissen, wie unser SC Freiburg gespielt hat?“ Am Anfang war die Antwort: „Oh, Gott, wie denn?“ Danach wurde stundenlang jener lieben, armen Menschen gedacht, die jetzt tausende Meilen weg erbärmlich litten. Anschließend wurde bis zum Abend auf den Bayern-Bezwinger angestoßen. Aber, seltsam: Irgendetwas muss inzwischen passiert sein. Heute heisst es: „Freiburg hat schon wieder verloren? Na, das wird ja langsam eng für die.“ Und wenn man meldet: „Bayern hat auch verloren“. Heißt es: „Wer?“ Und damit ist der Samstag, wie man ihn kannte, um 9.05 Uhr schon gelaufen. Wenn man ehrlich ist: Unwiederbringlich verloren.

Das hört sich jetzt sicher furchtbar an. Aber ganz so schlimm ist es nicht. Es relativiert ja auch die möglicherweise doch etwas übertriebene Bedeutung der Fußballbundesliga für das Samstagsleben eines Menschen. Man merkt dann erst mal, dass es auch noch jede Menge anderer wichtiger Dinge gibt. Grade hier in und um San Francisco: Die San Jose Sharks müssen unbedingt Erste der Pacific Division werden, um in den NHL-Play-offs eine gute Ausgangsposition zu haben. Die San Jose Earthquakes müssen ihren Soccer-Titel verteidigen. Dann muss Barry oder Billy Dingsbums für die San Francisco Giants auch dieses Jahr wieder 73 Homeruns schlagen. Was immer das ist, es wird ganz sicher viel Energie kosten. Selbst wenn man nur zuschaut. Und dann spielen die hier ja nicht nur Samstag, sondern praktisch jeden Tag. Und Football hat noch gar nicht angefangen. Ehrlich gesagt: Selbst wenn es noch kitzelte, da bleibt für die Bundesliga einfach keine Zeit mehr.

PETER UNFRIED