Seid uns nicht böse!

Die Paderborner Entschuldigung: Es war doch nicht so „gemeint“!

Mit Erschrecken und Abstürzung haben wir, die UnterzeichnerInnen der Paderborner Entschuldigung, die Beleidigungen gelesen, die in dieser Zeitung gegenüber Andersdenkenden veröffentlicht wurden (taz v. 12. 3. und 27. 3.). Gerade wir als Deutsche stemmen uns gegen jede Verunglimpfung von Religionsgemeinschaften.

Für den „Neustädter Appell“ möchten wir uns vor den gläubigen Muslimen in aller Form entschuldigen, zumal vor den schwulen Muslimen. Für Atheisten mag auch der Prophet Mohammed nur ein Religionsstifter unter anderen sein, ein geistig mittelhochprächtig begüterter Mensch mit zweifelhaften Tischmanieren, aber wie auch immer, wir protestieren gegen jede Form des Hasses und rufen zur Dialogbereitschaft auf.

Rein physikalisch betrachtet hat der Mensch der Jetztzeit in der westlichen Welt schon mehr als 800 Einheiten der stofflichen Differenzgeltung verbraucht. Wir werden alle ersticken und von Kobaltstrahlen kraftgestalthaft abgetötet, aber für solche Nachrichten wird ja die Öffentlichkeit hierzulande systematisch abgeriegelt und unter Quarantäne gestellt, wenn keine neidische „Bosheit“ gegen den Islam dahintersteckt. Die Differenz aus der atembaren Geltung bezieht sich aus der jetzt noch aktiven Atemluft abzüglich der arabischen Minussumme, die durch Ölsuche, Eisenbahnbau, Kommerznetze und Mädchenhandel etc. auch in der Wüste Negev weiter verringert wird, immer im Sinne israelisch-zionistischer Negativinteressen.

Für uns hat das „Feindbild Islam“ keine Geltung. Wir mögen Religiöse gerne leiden, auch wenn sie vermeintlich „vom anderen Ufer“ stammen. Wir sind bereit dazu, Grenzen zu überschreiten, Kontakt aufzunehmen, in fremden Kulturen das Eigene und das Fremde zu erspüren – eine Fähigkeit, die den UnterzeichnerInnen des „Neustädter Appells“ fühlbar mangelt.

Den Schriften des Ayatollah Chomeini wohnt eine Kraft inne, die auch der westlichen Welt aus ihrer Krise helfen könnte. Und nicht allein den Schriften. Auch den Fotos und Filmaufnahmen vom Körper des Ayatollahs ist bis heute die Energie anzusehen, die er besaß. Rühmend hervorgehoben wurde auch von US-Reportern Chomeinis unvergesslicher „Hüftschwung“ bei den Demonstrationen gegen das Schah-Regime, und es spricht für den Sex-Appeal des vermeintlich so rigorosen Revolutionärs, dass ihm und seiner Entourage bis heute die Homosexuellen der französischen Hauptstadt nachtrauern. Gerade wir als Schwule und als Schwulenfreunde finden es schade, dass sich Chomeini nach der Machtergreifung im Iran nicht zu seinen in Paris praktizierten Idealen bekannt hat. Dennoch wollen wir den verstorbenen Ayatollah gegen Angriffe von Dritten in Schutz nehmen, erst recht, wenn diese Angriffe von Homophoben kommen.

1977, im „Deutschen Herbst“, schrieb Erich Fried das folgende Gedicht: „Wenn du glaubst, / dass du glaubst, / woran du glaubst, / dann glaubst du auch / woran deine väter glaubten, / als sie glaubten, / dass sie glaubten, / woran ihre großväter glaubten. / Glaube daran, / was deine enkel glauben, / wenn sie nicht mehr glauben / woran deine väter / und großväter glaubten / als sie nicht glaubten wollten, / was der glaube / aus einem menschen machen kann / sei er vater, großvater, sohn / mutter, großmutter, tochter / oder er selbst.“

In diesem Sinne möchten wir uns bei der iranischen Regierung und bei allen anderen Homosexuellen entschuldigen und das Banner emporhalten, für das schon viele Muslime gestorben und im Kobaltstrahlenstaub erstickt sind, bevor sie das Leuchtfeuer der Großen Orgie erblickt haben. Der schwule Kampf geht weiter. Venceremos!

Eugen Drewermann, Pantheist, Paderborn; Ralph Giordano, Satiriker, Wien; Ernst Kahl, Mösenzeichner, Hamburg; Peter Köhler, Kommunist, Göttingen; Ludwig Lang, Religionssoziologe, Regenstauf; Johannes Rau, Bundespräsident, Berlin.