Kategorie-1-Tod

Dem Buckingham-Palast war die Queen-Mum-tot-Berichterstattung der BBC nicht würdevoll genug. In der taz kommt jetzt die andere Seite zu Wort

aus London DENNIS MOORE

Ich kann es eigentlich gar nicht richtig beschreiben, wie sich in diesem Augenblick, genau genommen 17.46 Uhr am Samstag, dem 30. März, der Magen eines jeden BBC-Journalisten zusammenkrampfte und dabei Salti vollführte, wie sie nur die besten olympischen Athleten zustande bringen. Ein königlicher Tod ist keine normale Schlagzeile. Er legt eine unerklärliche Last auf die Schultern jedes einzelnen BBC-Journalisten, von der untersten bis zur höchsten Ebene der Hierarchie.

Oft war ich schweißgebadet aufgewacht bei dem Gedanken, es könnte passieren, wenn ich Dienst habe. Nicht nur mir ging es so: „Bitte, lieber Gott, nicht in meiner Schicht“ war ein oft gehörter Satz im BBC-Fernsehzentrum. Und welch Schicksal! Was passierte genau an diesem Wochenende, um 17.46 Uhr; zweieinviertel Stunden nach meinem Dienstbeginn? Ihre Majestät gab den Löffel ab. Gott segne sie.

„Sie hören die BBC-Fernsehnachrichten. Der Buckingham-Palast hat soeben den Tod von Queen Elizabeth, der Königinmutter, bekannt gegeben. Der Palast teilte mit, dass die Königinmutter friedlich im Schlaf verstorben sei. Pause. Die angekündigten Programme werden unterbrochen. Das BBC-Fernsehen berichtet nun in einer Sondersendung über den Tod von Queen Mum.“

Das ist ein Satz, der in der BBC alle sechs Monate oder so zu hören war, während unserer Kategorie-1-Todes-Proben. Aber am Samstag war er echt. Als die Flagge gehisst und die Nationalhymne gespielt wurde, jagte es mir einen Schauer über den Rücken. Und das nicht nur, weil wir bei der letzten Probe die falsche Flagge eingespielt hatten. Aber seien Sie versichert, diesmal war alles korrekt.

Kein Wort wurde in der Nachrichtenredaktion gesprochen. Alle waren beschäftigt. Jeder starrte hoch konzentriert auf die laminierten Schilder, die über allen Schreibtischen angebracht sind: „Verhaltensregeln für einen Kategorie-1-Königstod“. Selbst ich, der ich nur an drei Proben teilgenommen hatte, wusste, dass das nicht ausreichte. Die Prozeduren werden ständig aktualisiert. Ich wusste auch, dass, sollte die Öffentlichkeit oder eine Institution gegen unsere Berichterstattung rebellieren, ein Schuldverweis auf die Richtlinien nicht genügen würde. Jeder Journalist, der sich auch nur dem Verdacht aussetzte, einen inhaltlichen Fehler oder einen im Timing oder im Ton begangen zu haben, würde, weil es zum Erschießen oder zur Haft im Tower wegen Verrats doch nicht ganz reicht, ins Land des Lokalradios exiliert werden.

So, da waren wir, zehn Minuten nach der Bekanntgabe des Todes, schon mit der Sonderberichterstattung. (Wir hatten noch auf den Moderator warten müssen, der vergeblich nach einer schwarzen Krawatte suchte.) Glauben Sie mir, alle Proben waren für die Katz. Denn die Proben fanden mit vollständig anwesendem Team statt: Bildredakteuren, Grafikern, Journalisten etc. – aber jetzt war Wochenende. Osterwochenende. Wir arbeiteten mit einer Rumpfmannschaft.

Das bedeutete, dass die Spezialgrafiken nur langsam zustande kamen. Aber wir füllten die Zeit mit verschiedenen vorbereiteten Nachrufen, die das Leben Ihrer Majestät Revue passieren ließen. Korrespondenten wurden zum Palast und zum Schloss Windsor entsandt: „Ist es nicht traurig?“ – „Wann wird das Begräbnis sein?“ – „Wird die Monarchie überleben?“ Die BBC hatte sich seit Jahren auf diesen Tag vorbereitet. Waren wir erfolgreich? Haben sich die Proben gelohnt? Es war nicht desaströs, aber es war auch nicht perfekt. Es war sicherlich ein ziemliches Durcheinander, und ja, ich bin sicher, irgendwo wird die Schuld gesucht werden. Jemand wird aus London deportiert werden … Möglicherweise zu BBC Radio Norfolk!

Dennis Moore ist (noch) Mitarbeiter der BBC Breakfast News in London