Warnungen ans Hinterland

An der libanesisch-israelischen Grenze droht eine neue Front im Nahostkonflikt: Syrien verlegt seine Truppen

KAIRO taz ■ An der libanesisch-israelischen Grenze nehmen die Spannungen zu und damit auch die Sorge, daß im Nahen Osten ein weiterer Konfliktherd ausbrechen könnte. Inzwischen gibt es internationale Bemühungen, damit sich der Krieg im Westjordanland nicht auch noch auf den Libanon ausweitet. Das russische Außenministerium hat sowohl Israel als auch den Libanon zur Zurückhaltung aufgerufen. Der israelische Außenminister Schimon Peres hat den UN-Generalsekretär Kofi Annan gebeten, im Libanon und in Syrien zu intervenieren.

Die schiitische Guerilla-Organisation Hisbullah hatte in den letzten Tagen zweimal israelische Stellungen in den Scheba-Farmen an der östlichen Grenze beschossen. Eine aus dem Südlibanon abgefeuerte Katjuscha-Rakete landete am Dienstag in einem Feld in Nordisrael. Israelische Kampfflugzeuge bombardierten daraufhin Hisbullah-Stellungen im Südlibanon.

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon sandte eine Warnung an Syrien, das die Hisbullah logistisch und politisch unterstützt. Sowohl der Libanon als auch Syrien seien nicht immun vor israelischen Vergeltungsschlägen, erklärte Scharon. Israelische Militärs haben in den letzten Monaten immer wieder davor gewarnt, dass Israel bei Aktionen der Hisbullah direkt gegen syrische Stellungen im Libanon vorgehen würde.

Aus libanesischer Sicht handelt es sich bei den zwei vom Libanon aus gestarteten Angriffen um Ereignisse, die unterschiedlich zu bewerten sind. Nach libanesischer Lesart gelten die Scheba-Farmen weiterhin als israelisch besetztes libanesisches Gebiet. Die libanesische Regierung und die Hisbullah haben immer wieder betont, dass militärischer Widerstand gegen die Besatzung weiterhin legitim sei.

Eine andere Qualität hat die ins nördliche Israel gefeuerte Katjuscha-Rakete. Dabei handelt es sich um den ersten Raketenangriff in Nordisrael seit dem israelischen Rückzug auf dem Südlibanon vor zwei Jahren. Anders als sonst üblich, hat sich die Hisbullah für diesen Angriff nicht verantwortlich erklärt. Libanesische Sicherheitskreise sprechen davon, dass die veraltete Rakete von einer palästinensischen Splittergruppe abgefeuert wurde. Diese Gruppe soll inzwischen gewarnt worden sein, nicht weiter zu provozieren. Die derzeitige Botschaft aus libanesischen Sicherheitskreisen: alles unter Kontrolle.

Aus dem italienischen Außenministerium ist zu hören, dass Israel vor einem Aufmarsch der Hisbullah-Kämpfer an der israelischen Grenze gewarnt habe. Derartige Berichte wurden bisher nicht bestätigt, widersprächen aber der grundsätzlichen Hisbullah-Taktik des Guerilla-Kampfes.

Noch vor wenigen Tagen hatte Ghalib Abu Zeinab, ein Mitglied des Hisbullah- Politbüros in Beirut gegenüber der taz erklärt, dass sich seine Organisation auch weiterhin auf die „Befreiung der besetzten Scheba-Farmen“ konzentrieren werde.

Die Befreiung Palästinas, so Abu Zeinab, sei Sache der Palästinenser. „Wenn sie von unseren Methoden gelernt haben, dann ist uns das eine Ehre und wir hoffen, sie können, wie wir, ihr Land befreien“ erklärte er. Hisbullah unterstütze die palästinensische Intifada lediglich finanziell, politisch und moralisch.KARIM EL-GAWHARY