Stadt, Land, Rad und Kunst

■ Einsteigen bitte. In die 672, die „Künstlerdorflinie“, die seit einer Woche alles verbindet: Fahrradfahren, Museen, Künstlerdörfer und Autolose. Ein Projekt, das neugierig auf das Land zwischen Hamme und Wümme machen soll

Kunst war bislang was für Autofahrer. Meistens jedenfalls. Ohne Blechkiste blieb man besser in Bremen und ging in die Kunsthalle. Ein Bustripp ins Künstlerdorf Worpswede hätte mindestens 45 Minuten Kurvenfahrt verschlungen. Und dann wär auch schon Endstation: Weiter zum Otto-Modersohn Museum in Fischerhude fuhr überhaupt nix Öffentliches.

Bis Karfreitag. Seither gibt es einen vom Bund geförderten Versuch, das Umland und die Kunst für Autolose und Fahrradfahrer zu erschließen. „Künstlerdorflinie“ nennt sich das Projekt aus Bus und Radanhänger mit der Nummer 672, das mit Zuschüssen gepäppelt für mindestens 18 Monate durch die Region fahren soll. Nicht täglich. Aber als Freizeitaktion jedes Wochenende sowie an Feiertagen. Und wenn es gut läuft mit den Fahrgästen, irgendwann vielleicht auch öfter und länger.

Anlass waren handfeste Beschwerden von Urlaubern, die sich ohne Automobil von öffentlichen Verkehrsmitteln in Worpswede völlig verlassen sahen. Die wollten eigentlich nur von einem Künstlerdorf ins andere. Und hätten ein Taxi chartern oder den Schulbus morgens um 7 Uhr nehmen müssen, erzählt Eckhard Spliethoff als Organisator von „MobiTour“.

Das ging so nicht. Nicht in der strukturschwachen Region, die doch „diesen Sommer das Land für Naherholung und Tourismus erschließen will", wie Prospekte verkünden. Also steckten die örtlichen und die Bremer Tourismus Agenturen die Köpfe zusammen. Und kreatierten neben den Wochenendhits „Moorexpress“ oder „Torfkahnfahrten“ eine ÖPNV-Einladung ins Land zwischen Hamme und Wümme. Angesprochen fühlen soll sich eine höchst unterschiedliche Gruppe aus „Radfahrern, Kunstinteressierten und Senioren, die kein Auto haben“, so Spliethoff.

Ganz praktisch sieht das so aus: Dreimal pro Wochenendtag (um 9, um 12 und um 15 Uhr) geht es für drei oder vier Euro von Bremen über die Autobahn nach Worpswede in 30 statt wie früher in 45 Minuten. In weiteren 20 Minuten ist man in Fischerhude, Endstation ist der Bahnhof Sagehorn.

Aber was das Angebot stark macht, ist nicht die Schnelligkeit; sondern sind die Kombinationsmöglichkeiten und der Weg als solcher. Also: (für Radfahrer) Gemütlich per Pedale morgens nach Fischerhude und Otto Modersohn angucken. Dann vielleicht weiter nach Grasberg: Eisessen und sich und Rad in den Bus plumsen lassen, um bis Worpswede in den Sesseln zu verschnaufen. Anschließend vielleicht die Große Kunstschau sehen. Und abends retour-Kutsche.

Oder (für Kunstinteressierte): Die ganze Mischung Bremer Museen zusammen mit den Umland-Galerien. Da liegen Paula Modersohn-Becker und ihr Ehemann nur ein paar Haltestellen von einander entfert. Für vier Euro gibt es außerdem eine Kombikarte, mit der man bis zu zwei Museumsbesuche gratis kriegt. Weitere Eintritte sind auch in Bremen ermäßigt.

Oder (für aktive Naherholer): Ab Worpswede und ab dem 1. Mai vielleicht eine Torfkahntour? Oder in den Moorexpress steigen, die Bremervörde zu erkunden. Wo sich wiederum die „Mühlenroute“ als Radweg anbietet, das vielversprechende „Ekelmoor“ bei Sittensen lockt, oder man „Auf den Spuren der Nonnen“ wandern kann.

Alles möglich. Also Rad aufpumpen. Kultur tanken. Wahrscheinlich reicht bloß der Sommer nicht. pipe

Infos bei der Mobi-Zentrale: 04792–95 01 21 oder www.mobitour.de . Räder am besten vorher anmelden.